In Ems lebte vor langen Jahren ein reicher Bauer, der aber nicht eine Tugend, die den Menschen sonst zieren, sein nennen konnte. Unter den vielen Sünden, die er beging rechnete man die Entheiligung von Sonn- und Feiertagen als die grösste ihm an. Einzig am Frohnleichnamstage ging er mit der Prozession, um den Leuten beweisen zu wollen, dass er besser sei, als sein Ruf. Arbeitete er die ganze Woche hindurch »keinen Streich«, so klopfte und hämmerte er aber nicht nur jeden Sonntag, oder schaffte auf dem Felde, sondern verhöhnte und ärgerte noch die Kirchengänger, trotzdem wohldenkende Männer ihn mahnten, von seinem bösen Tun zu lassen. - Alle Vorstellungen halfen nichts. Mit der Zeit machte er nicht einmal mehr die Prozession mit.
Wieder war einmal Fohnleichnamstag, und während alle Andern der Andacht beiwohnten, nahm er Axt und Säge, und ging hinauf in sein Maisäss am Piz-Okul, um im Walde, den er dort oben hatte, Holz zu fällen. Wiewohl da und dort ein frommes Mütterchen mit erhobenem Zeigefinger ihn gewarnt, schlug er alle Mahnung in den Wind. Mit den Worten: »mo, il giavel vul nuot saver da mei, el po buca tier« (»der Teufel will ja nichts von mir, er kann mir nicht nahe kommen«) verliess er das Dorf.
Am Abende wartete man vergebens auf ihn, er kam nicht. Esvergingen zwei Tage, drei Tage, er kam nicht. Nun machten Einige sich auf, ihn zu suchen, nicht aus Erbarmen, was ihm begegnet sei, ihm zu helfen, denn Teilnahme halle er bei Niemandem verdienet, - sondern, um zu sehen, wie es ihm ergangen sei, denn dass er nun seine Strafe bekommen habe für seine Sünden, war Aller Urteil.
Im Maysässe angelangt, suchte man lange Zeit nach ihm, im Walde fand man ihn auch nicht. Endlich beim Stalle, wo eine grosse Steinplatte liegt, fand man in umherzerstreuten Kleider- und Hautfetzen und Haarbüscheln deutliche Spuren von ihm; auch auf der Steinplatte lagen Solche, vom Blute des Bösewichtes angeklebt. Dass Derselbe mit dem Teufel selber dort einen schrecklichen Kampf gehabt, erkannte man zur Genüge, und dass es der Böse selber gewesen, der ihn bezwungen, liessen die Eindrücke von Bocksfüssen im harten Gesteine erkennen.
Man hatte nun gefunden, was man gesucht, und begreiflich war die grausige Sache balde in der Gemeinde bekannt. Die Spuren der Bocksfüsse in der Platte beim Stalle sieht man heutzutage noch.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.