Meineid brennet im Gewissen,
Meineid lässt im Grab nicht ruh'n;
Wollt ihr dessen Zeugnis haben,
Lass't die Sage kund euch tun.
In den blut'gen Heldenkämpfen,
Die das Prätigau erfocht,
Hatten Östrreichs wilde Krieger
Obzusiegen, nicht vermocht.
Mussten auf dem Schlosse Casteis
Übermannt, um Abzug fleh'n.
Und, obwohl sie's nicht verdienet,
Lässt man Gnad' für Recht ergeh'n. –
Doch mit heil'gem Eide schwören
Sie, zu ziehen aus dem Land',
Nie um Selbes zu bekriegen,
Aufzuheben mehr die Hand. –
So gewährt man Abzug ihnen,
Ungekränkt, ja noch bewehrt;
Denn dem Feinde Mild' erweisen,
Ist\'s was auch den Sieger ehrt. –
Ausgeführt zur Talesmarke,
Liess man sie des Weges zieh'n.
Werden sie des Landes Grenzen
Und die wilde Mordlust flieh'n?
Haben sie den Eid gehalten
Eingedenk der Heiligkeit?
Ach, was wäre Frevlern heilig?
Nein! sie zieh\'n aufs Neu' zum Streit! –
Solcher wilden Räuberhorde
Ist die Treue eitel Spott,
Kennet keine Christenpflichten
Und auch keine Scheu vor Gott.
Mit dem Heere neuverbunden,
Kämpften treulos sie bei Fläsch,
Wo sie aber auch erfahren
Die verdiente Keulenwäsch'! –
Auch nicht Einen, der geschworen,
Hat das Racheschwert verschont;
Solchen Meineid straft der Richter,
Welcher ob den Sternen thront. –
Denn verscharrt in wüste Gräber,
Liess kein Rasen sie bedeckt:
Viele hundert Zeugen sahen
Einen Arm empor gestreckt; -
Einen Arm aus jedem Grabe,
Eine tote, starre Hand
Reckte, wie zum Schwur, noch immer
Sich empor, aus Moor und Sand.
Und an jeder Hand drei Finger
Deuten auf den falschen Eid,
Den geschworen sie bei Castels
Doch zu ihrem ew\' gen Leid. –
Meineid brennet im Gewissen,
Meineid lässt im Grab nicht ruh'n.
Seh't die Hände mit drei Fingern,
Die dess' grausig Meldung tun! -
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.