Gegen Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts kam Gaudentius, Bischof von Novarra, von den Arianern verfolgt, in die rätischen Alpen und suchte vor seinen Verfolgern Schutz im Tale Bregallia, wo er aber sowohl Heiden, als auch christliche Irrgläubige vorfand. Erstlich predigte er im untern Teile des Tales, wurde aber, wie andere Glaubensboten, oft nicht nur nicht angehört, sondern gar noch verhöhnt, verfolgt, und flüchtete nach dem obern Teile, an die Quelle der Maira, wo er in der Gegend des heutigen Casaccia sich niederliess und daselbst seine Klause sich baute. Dort an der römischen Heerstrasse über Septimer und Julier setzte er sein Bekehrungswerk fort, erstlich mit Erfolg ward dann aber, nachdem er in der Züchtigung der Laster der Vornehmen zu kühn verfuhr, von diesen als Irrlehrer und Gotteslästerer beim römischen Statthalter verdächtigt und zum Märtyrertode verurteilt.
Oberhalb Casaccia, hart am Wege nach Moloja, steht eine noch gut erhaltene Kapelle, ein alter gothischer Bau, dem heiligen Gaudentius geweiht. Zu ihr hin zogen in frühern Zeiten grosse Schaaren Gläubiger; es war dies ehemals ein berühmter Wallfahrtsort.
In der Gegend des heutigen Dorfes Vicosoprano erwarb Gaudentius sich die Märtyrerkrone: »Unter einer alten Lerche wurde er enthauptet; sein Leib erhob sich aber schnell vom Blocke, nahm sein Haupt und trug\'s selbst hinauf, dahin, wo eben die nach ihm benannte Kapelle stand. Dort legte er sein Haupt in die Erde und sich selbst dazu.«
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.