Vor vielen Jahren war es ein rauher und geiziger, sogar ungerechter Mann, der die bischöfliche Meyerei Mulinära unterhalb Trimmis verwaltete. Fand kein Armer bei ihm Zutritt und gönnte er Niemanden was, liess er sich\'s selber doch nicht abgehen, denn für sich allein war er ein Schlemmer.
Der starb nun eben bei einem Mahle, in Folge seiner Völlerei und muss nun geisten auf »Fürsten-Älpli«. Dort sehen ihn die Hirten oft, diesen Mulinära-Hans (Hans war bei Lebzeiten sein Taufname gewesen); in der einen Hand hält er eine mächtige Platte Gesottenes und Gebratenes, in der andern eine grosse Kanne Bier, dem er bei Lebzeit so hold gewesen, und ladet Jeden, der ihm in den Weg kommt, ein, mitzuhalten, und wird erst erlöst, wenn ihre Drei zusammen mit ihm selbviert essen und trinken ohne Furcht und Zagen.
Einstmals kamen mehrere Jäger auf diese Fürsten-Alp zur Zeit, als man schon »z\'Tal gefahren« war und übernachteten in einer Alphütte. – So um Mitternacht hörte Einer von ihnen, der noch wach war, Jemand um die Hütte »herumholtschen« und störte die Andern auf, und die hören das »Holtschen« auch. Da sagte der Eine: »Loset, der Mulinära-Hans.« Kaum waren diese Worte ihm entschlüpft, kam richtig der Mulinära-Hans selber und machte die Türe auf. - Einer der Jäger, der den Hans noch gekannt, erkannte ihn als denselben wieder; nur war er jetzt noch viel grösser als bei Lebzeiten und ganz schwarz, und schaute «grusig leid» drein. Auch diesmal hatte Hans seine Lieblingsspeisen bei sich, setzte sich auf einen Trog in der Hütte und ladete die Jäger ein, mitzuhalten: »O heiliger Geist, ä Schüssla voll Fleisch, ä Kanta voll Bier, chönd setzt i‘ zu mir. »
Den guten Jägern gelüstete nach Braten und Bier nicht, denn trotz der freundlichen Anrede machte der Hans ein »bös« Gesicht , das Alle abschreckte und selbst dem »vierspörigen« Hunde, der Einem von ihnen gehörte, schien die Einladung nicht aufrichtig gemeint, denn er verkroch sich unter die »Pritsche«.
Die ganze Nacht durch wiederholte Hans seine Ansprache, aber vergebens, und tat zuletzt, als keiner von den Jägern mithalten wollte, so wüst, dass Alle meinten, es sei um sie geschehen. Mit Tagesanbruch verschwand aber auch der Mulinära-Hans.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.