Vor alten Zeiten gehörte die schöne Lampertsch-Alp in Zervreila den Valsern, nun aber In das Gebiet von BIegno. Die Sage, wie diese Alp an letzteres kam, ist die:
Mitte des siebzehnten Jahrhunderts hatte die Gemeinde Vals die jetzige grosse Kirche am »Platze« gebaut, welcher Bau die Einwohner in grosse Schulden brachte, wesshalb sie sich genötigt sahen, zwei Alpen nämlich Tomül und Lampertsch zu verkaufen. Letztere, die beste Alp des TaIes wurde angeblich für die geringe Summe von tausend Gulden an Blegno verkauft. Ein Advokat von Bellenz soll den Kaufbrief ausgefertigt haben mit genauer Bezeichnung der Kaufbedingungen und Angabe der Grenzen: in demselben soll ausdrücklich bemerkt worden sein, dass die Alp auf der Ostseite bis zu einem gewissen siebenkantigen Steine, wo als Marche ein steinernes Kreuz stand, herausreiche, dass sie dagegen auf der Westseite nicht weiter gehe als bis zum »Hornbache«. - Von diesem Kaufbriefe wurden zwei gleichlautende Exemplare gefertigt und jede Part erhielt eines davon. Durch Unvorsichtigkeit oder Betrug ging den Valsern ihres verloren, was denen von Blegno zu Ohren kam, und letztere nicht faul, fälschten ihr Schriftstück, indem sie in dasselbe hineinflickten, »sie gehet auf der Westseite ebenso weit als auf der Ostseite.« - Als nun die Blegner mit ihrem Vieh über den »Hornbach« rückten, übten die Valser Gegenrecht, worauf erstere behaupteten, die gekaufte Alp reiche ost- und westwärts gleich weit hin, das stehe in ihrem Kaufbriefe, am Hornbache stehe keine Marche. Die Vorsteher von Vals untersuchten die Sache und fanden auch keine Marche; diese hatte nämlich ein Blegner, nach Andern ein Misoxer. der bei einem Blegner diente, in den Bach hinunter geworfen. - Jetzt war freilich die Sache bald entschieden: Marche war keine da, und Schriften hatten die Valser keine mehr; der Prozess fiel zu Gunsten der Blegner aus. – Der Bösewicht, der die Marche beseitigt hatte, fiel bald darauf in Gletscherspalte und endete so erbärmlich sein Leben. - Lange Zeit musste er auf einem feurigen Schimmel reiten, bei allem Unwetter talaus, talein, und schreckte während der Nacht die Hirten und Herden, bis er auf den Lenta-Gletscher hinauf verbannt wurde, wo er in alle Ewigkeit sein Unwesen treiben soll.
Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.