Ein Vater hatte viele Kinder. Da bekam er noch ein Söhnlein. Deshalb ging er aus, um einen Gevatter zu suchen. Er lief dahin und dorthin. Endlich fand er einen Mann, der ihm versprach, seinem Kind Taufpate zu sein. Und richtig schenkte ihm dieser viel Geld und fügte hinzu, wenn er keines mehr habe, solle er nur an einen bestimmten Ort kommen. Dort wolle er ihm geben, und er werde auch zum Fest der Taufe sich einstellen.
Als aber der Vater kein Geld mehr hatte und an jenen bestimmten Ort ging, um abermals einen Sack mit Silbertalern zu füllen, da kam der Pate nicht, und alles Warten war vergeblich. Also machte er sich auf die Suche, lief und lief und fand eine Menge Leute, die vor einem verdorrten Baum standen und weinten. Er fragte sie: «Warum weint ihr?» Und die Leute gaben ihm zur Antwort: «Dieser Baum brachte goldene Äpfel und Blätter hervor, und jetzt ist er verdorrt. Wenn du uns nicht sagen kannst, warum er abgestorben ist, so lassen wir dich nicht weiterziehen.» Und er erwiderte: «Ich will es euch auf dem Rückweg sagen.» Und damit ging er weiter.
Er wanderte über Berg und Tal und begegnete wiederum einer Schar Leute, die weinend um eine versiegte Quelle standen. Er fragte abermals: «Warum weint ihr?» Und sie entgegneten: «Weil dieser Brunnen, der sonst für die ganze Stadt öl lieferte, versiegt ist. Und wenn du uns nicht sagst, wieso die Quelle versiegt ist, lassen wir dich nicht durch.» Und er versetzte: «Ich will es euch sagen, wenn ich wieder zurückkomme.»
Dann zog er weiter und gelangte an einen Fluss. Am Ufer war ein Fährmann, der brachte ihn auf die andere Seite hinüber. Und als sie auf dem Wasser fuhren, sagte der Schiffsmann zu ihm: «Ich bin immer hier und kann nie aus der Barke heraus. Wenn ihr mir nicht sagen könnt, warum, so werde ich euch immer im Schiff behalten, und ihr müsst mir Gesellschaft leisten.» Unser Wanderer versprach, es ihm zu sagen, wenn er zurückkomme.
Und damit zog er von \'dannen, reiste und reiste und fand endlich im Wald eine Höhle. Dort, dachte er, könnte er ausruhen. Eine alte Frau sass darin und rief ihm zu: «Flieh fort von hier, schnell, schnell, denn wenn dich mein Mann hier findet, wird er dich fressen!» Der Bauer aber bat sie, doch über Nacht dableiben zu dürfen, und dann erzählte er ihr, was ihm auf seiner Reise begegnet war. Die Alte meinte, ihr Mann, der Teufel, wisse vielleicht eine Erklärung, und sie versteckte den Fremdling in einem grossen Korb, der hinter der Tür stand.
Bald darauf kam richtig der Teufel nach Hause und setzte sich zum Abendessen. Da sprach seine Frau zu ihm: «Denk dir, heute Nacht habe ich einen sonderbaren Traum gehabt. Ich sah viele Leute, die an einem versiegten Öl Brunnen standen und weinten. Dann sah ich anderswo wieder viele Menschen um einen dürren Baum herumstehen und jammern; denn der Baum hatte früher goldene Äpfel und Blätter getragen. Und hierauf sah ich einen Fährmann, der klagte, weil er nie aus seinem Schiff herauskomme. Wärest du nicht so gut, mir diesen merkwürdigen Traum zu deuten?» Und darnach fing sie an zu singen:
Du in dem Korbe, gibt wohl acht
Und sei auf jedes Wort bedacht.
«Was singst du da?» fragte der Teufel. «Ach, das ist ein uraltes Lied, das mich meine arme Mutter gelehrt hat. Aber nun erkläre mir meine Träume!» Der Teufel gab folgendes zur Antwort: «Der Brunnen sprudelt kein Öl mehr hervor, weil die Quelle in der Tiefe mit einem Totenkopf verstopft ist. Der Baum gibt keine goldenen Äpfel und Blätter mehr, weil eine Schlange darunter ist und die Wurzeln abfrisst. Der Fährmann muss, wenn er entrinnen will, warten, bis jemand in die Barke steigt. Dem muss er die Ruder geben, er selbst aber muss ins Wasser springen und ans Ufer schwimmen, dann ist er erlöst.» Und nachdem der Teufel so gesprochen hatte, schlief er ein. Jetzt stieg der Bauersmann aus dem Korb, dankte der Frau und lief von dannen, so schnell er konnte. Er kehrte zum Flussufer zurück und erzählte dem Schiffsmann alles. Der dankte ihm und ruderte ihn ans andere Ufer. Dann kam er zum Brunnen, Hess den Totenkopf ausgraben und das Öl fing wieder an hervorzuquellen. Zum Dank dafür gaben ihm die Leute ein Viertel Scheffel voll Silberstücke. Hernach gelangte er zum Baum und liess die Schlange töten. Alsbald wuchsen an den Zweigen wieder goldene Äpfel und Blätter. Da schenkten ihm die Leute zwei Viertel Scheffel voll' Goldstücke.
Jetzt kehrte er froh nach Hause zurück mit seinem Sack voll glänzender Marengo-Taler. Dann ging er zu seinem Bruder und bat ihn, er möge ihm das kleine Massgefäss leihen, um etwas zu messen. Der Bruder war ein durchtriebener Schalk und strich ein wenig Pech auf den Boden des Gefässes. Und als der andere ihm das Mass zurückgab, sah er, dass ein Goldstück daran klebte. Da fragte er ihn, wo er dies herhabe. «Das habe ich im Hause des Teufels erhalten», versicherte der andere schlau.
Nun hatte der Bruder keine Ruhe mehr. Er wollte auch hingehen und solchen Reichtum gewinnen. Voller Geldgier machte er sich auf den Weg und gelangte an den Fluss. Und wie der Fährmann vom Ufer abgestossen war, drückte er ihm die Ruder in die Hand und entrann.
So blieb der arme Kerl nun dort,
Und konnte auch bis heut' nicht fort.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.