Ein Vater hatte viele Kinder zu ernähren. Eines Tages im Herbst war er in den Wald gegangen, um Kastanien zu sammeln. Er wollte sie mit seiner Frau zusammen im Kamin rösten. Er hatte sie aber nicht gut eingeritzt, so dass einige zu prasseln begannen, aus der Pfanne sprangen und zerplatzten. Kleine zappelnde Wesen kamen daraus hervor. Die Frau zog schnell ihren Holzschuh aus und - tacch tacch - machte sie sich daran, die kleinen Wesen zu zerquetschen. Eines konnte sich jedoch retten. Es war das kleinste, und als die Frau es genau anschaute, bemerkte sie, dass es ein richtiges kleines Kind war. «Behalten wir's doch!», sagten der Mann und die Frau, «wir haben zwar schon viele Kinder, aber für den Kleinen wird auch noch Platz sein. Taufen wir ihn Kastanien-Giovannino.» Giovannino brauchte nicht viel zum Leben. Er war so klein, weil er wirklich wenig aß. Und als er größer wurde, stellte er sich als sehr dienstfertig und gehorsam heraus. Er half seinem Vater, wenn er mit dem Karren und dem Ochsen aufs Feld ging. Eines Tages waren sie mir einer Ladung auf dem Heimweg und machten bei einem Wirtshaus Halt, um einen Schluck zu trinken. Giovannino war als Erster hineingegangen. Während der Vater die Ochsen in den Schatten führte, sah Giovannino drei Räuber, die sich gerade ans Plündern machten. Weil er so klein war, konnte er sich leicht hinter dem Tisch verstecken und rufen: «Lass die Sachen da!» Die üblen Kerle schauten sich um und machten sich wieder ans Werk. Aber bei der zweiten Warnung ließen sie die ganze Beute liegen und machten sich erschreckt davon. Sie fürchteten sich vor Geistern.
Der Wirt, der sich in den Keller geflüchtet hatte, kam in die Gaststube zurück und sah den kleinen Giovannino, der ihm sein Hab und Gut gerettet hatte. Er holte den Vater des Kleinen, erzählte ihm die ganze Geschichte und gab ihm eine schöne Belohnung für seinen tüchtigen Sohn.
Kurze Zeit später konnte Giovannino einmal in einer heißen Sommernacht nicht einschlafen. Er ging ans Fenster, um ein wenig Luft zu schnappen. Der Mond schien hell und Giovannino glaubte, Schatten zu sehen, die durch den Hof zum Hühnerstall des Nachbarn huschten. Er zog sich schnell an und lief nach draußen. Er hatte sich nicht getäuscht. Die Hühner gackerten aufgeregt, jemand hatte sich an sie herangemacht. Da begann Giovannino zu schreien: «Lasst die Hühner da!» Da nahm einer der Räuber ein Streichholz, zündete es an und sah nach, wer denn gesprochen habe. Er konnte aber niemanden sehen. Giovannino hatte sich in einer Mauerritze versteckt. - «Lösch das Streichholz aus!», befahl er. Die Räuber zitterten vor Angst und meinten, ein unsichtbares Wesen sei in ihrer Nähe. Sie liefen Hals über Kopf davon und ließen alles stehen.
Der Hausherr hatte den Lärm gehört und kam im Laufschritt, die Hosen haltend, zum Hühnerstall. In der Eile harte er die Hosenträger nicht gefunden. Er kam gerade rechtzeitig, um die Räuber ohne Beute flüchten zu sehen. Glücklich hörte er sich Giovanninos Geschichte an und versprach ihm eine schöne Belohnung.
Der kleine Giovannino war nun schon bekannt für seine Fähigkeit, Räuber zu vertreiben. Es gelang ihm, ein hübsches Sümmchen für seine Eltern und Geschwister zusammenzuverdienen.
Dieses Märchen aus Arogno stellt uns Frau Pia Todorovic Redaelli liebenswürdigerweise aus ihrem Buch "Märchen aus dem Tessin", Limmat Verlag Zürich 2006 zur Verfügung.
Das Buch ist im Handel erhältlich - ISBN 3 85791 501 3
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.