Eine Witwe hatte einen halbwüchsigen Sohn, der von außerordentlicher Stärke war. Eines Tages sandte sie ihn in den Wald, um Holz zu holen. Er drehte grad eine Tanne samt der Wurzel aus, als ein Geselle des Weges kam, stehen blieb und sagte: »Oh, du bist ein starker Bursche, willst du mit mir kommen?“ - „Es ist mir gleich“, sagte der Bub, „nur muß ich der Mutter zuerst den Arm voll Holz bringen, damit sie feuern kann!“ Er nahm die gefällten Tannen unter den Arm, und der Fremde begleitete ihn. »So, Mutter, da habt Ihr Holz, ich will eine Reise machen und die Welt ansehen!“ Da jammerte die Mutter: „Wer sorgt denn für mich?“ - "Laßt mich nur gehen, ich will dann schon für euch sorgen!“- „So geh in Gottes Namen, aber sieh, daß dir kein Unglück zustößt!“
Der Mann, den der Bub begleitete, war ein Stelzfuß. Er hatte den Unterschenkel nach oben gebunden, humpelte aber gleichwohl so schnell davon, daß der Bub kaum folgen konnte. Als sie eine Strecke weit gereist waren, spürten beide großen Hunger. Der Bub sagte: »Wir wollen jetzt um Essen ausschauen, aber ich habe kein Geld!“ Da sagte der Stelzfuß: »Ich habe auch keines, aber das macht nichts, weiter drin im Wald gibt es Wild!“ „Aber wir haben ja kein Gewehr“. „Das Wild fange ich mit der Hand! Sieh, ich habe das eine Bein aufgebunden, damit ich nicht zu schnell laufe. Mit dem einen Bein jage ich das Kleinwild und mit beiden fange ich das Hochwild ein!“
Sie wanderten ein Stück weit in den Wald hinein und erblickten einen Hasen. Der Stelzfuß sprang ihm nach und erwischte ihn nach wenigen Sprüngen. Sie töteten ihn und brieten ihn am Feuer. Dann zogen sie weiter. Da begegnete ihnen ein Geselle, der den Hut ganz hinten am Kopfe trug. Sie fragten ihn, ob er mit ihnen ziehen wolle. Er sagte, ja gerne. Da fragte ihn der Stelzfuß: „Warum bist du so stolz und trägst den Hut ganz auf einer Seite des Kopfes?“ – „Ich bin gar nicht stolz", sagte der andere, »ich trage den Hut nur so, damit die Sonne neben dem Hut durch auf die Erde scheinen kann; wenn ich den Hut mitten auf dem Kopf trüge wie ihr, würde es viel zu kalt!“ Da waren sie voller Freude über den neuen Gefährten und sagten: "Das ist bequem, wenn es zu heiß wird, so brauchst du den Hut nur höher zu rücken, dann sind wir am Schatten!“
Die drei wanderten nun zusammen und stiegen auf einen Hügel. Da lag einer auf dem Bauch, der sein Nasenloch verstopft hatte. Nicht weit davon standen drei Mühlen, deren Räder sich lustig drehten, obschon es ganz windstill war. Sie fragten den Burschen, was er da mache und warum er das eine Nasenloch verstopft habe. "Ei, das seht ihr wohl, ich treibe die drei Windmühlen. Hätte ich das eine Nasenloch nicht zugestopft, so würden die Mühlen samt allem in die Luft fliegen!“ Der Bursche gefiel den drei Gesellen, und sie fragten ihn, ob er mit ihnen ziehen wolle. Er war einverstanden, und so reisten sie alle vier zusammen. Geld hatte keiner von ihnen bei sich. Da kamen sie in eine Stadt und vernahmen, daß ein Bote des Königs ausrief: „Wem es gelingt, die große Sandwüste jenseits des Waldes in guten Boden zu verwandeln, der erhält die Tochter des Königs zur Frau!“ Die Gefährten schauten auf den Mann mit den Windmühlen-Nasenflügeln und sagten: »Du bläsest den Sand weg, du kannst es schon machen!« Sie beschlossen, in die Hofburg hinaufzusteigen. Dort angekommen, ließen sie sich vor den König führen, und der Bläser sagte, er wolle das Kunststück probieren. Der König ließ ihm ein gutes Essen auftragen, und nun wurde der Bläser in die Wüste geführt. Unterwegs stopfte er beide Nasenlöcher zu. Als er die unendliche Wüste sah, sagte er, das sei wohl zu schwer für ihn, aber er wolle es immerhin probieren. Als seine Begleiter fort waren, nahm er die Stöpsel aus der Nase und blies. Nun wurde es stockfinstere Nacht um ihn; der Sand flog in großen Staubwolken weit durch die Lüfte, man wußte nicht wohin, und der Boden war in kurzer Zeit rein gefegt. Er bestand aus schwarzer Erde, war sehr ertragreich und fing von selbst an zu grünen. Nach wenigen Tagen war die ehemalige Wüste ein schönes grünes Land geworden.
Da der Bläser sehr häßlich war im Gesicht, wollte ihm der König die Tochter nicht zur Frau geben. Er ließ ihm Geld vorzählen, aber der Bläser sagte, er habe die Arbeit nicht um Geld besorgt, er verlange die Tochter zur Frau, wie es öffentlich ausgerufen worden sei. Wenn sie so herumreisten, sei das Geld bald alles aufgebraucht. Der König ließ nun alles Geld im Lande zusammentragen und füllte eine ganze Reihe von Säcken damit. Als sieben Strohsäcke voll dastanden, sagten die andern drei Gefährten, es sei genug, und der Bläser gab sich zufrieden. Aber sie sahen sich an und fragten sich, wer jetzt das Geld tragen solle. Da trat der Bub hervor und sagte: „Das nehme ich wohl noch!“ Als die Säcke zugenäht waren, warf er sie auf die Schultern, und sie zogen damit fort. Der König aber gereute das viele Geld, und er sagte: „Hätte ich doch nur noch die Wüste und dafür das Geld!“ Er befahl einem General, mit seiner Armee den vier Gesellen nachzujagen und sie zusammenzuhauen.
Als die vier Gesellen zurückschauten, gewahrten sie das Heer, das ihnen auf flinken Pferden nachjagte, und der Bub warf die Säcke auf den Boden und fing mit den andern an zu jammern: „Jetzt schlagen sie uns tot, und wir haben nichts von dem vielen Geld!“ Der starke Bläser aber verstopfte die Nasenflügel, lief dem Heer entgegen, und als die Spitze ganz nahe war, nahm er die Stöpsel heraus und blies. Da flog die ganze Armee in die Luft.
Der König war trostlos bei der Nachricht und fragte sich, was er wohl machen müsse, um wieder zu dem Gelde zu gelangen. Er gedachte die Gesellen mit List zu fangen. Er sandte Freundschaftsboten zu ihnen mit der Meldung, er sei bereit, dem Bläser die Tochter zur Frau zu geben, nur müßten sie ihm dafür das Geld zurückerstatten. Die vier Gesellen waren damit einverstanden, und der Bub trug die Säcke wieder in den Hof zurück. Der König hatte den eisernen Käfig aufstellen lassen, den er für die wilden Tiere gebrauchte, und alle vier wurden nun in den Käfig gesperrt. Dann wurden mächtige Stöße dürren Holzes ringsum aufgeschichtet und mit Stroh in Brand gesteckt. Aber je mehr sie draußen feuerten, desto lustiger wurden die Gesellen im Käfig, denn der mit dem Hut auf der Seite des Kopfes schob ihn immer höher und höher hinauf, je mehr die Flammen prasselten, und zuletzt froren die draußen bei dem Feuer, daß ihnen elend wurde. Die Burschen wurden unversehrt aus dem Käfig gelassen, und der König ergab sich in sein Schicksal. Er gab dem Bläser die Tochter zur Frau, und die andern sollten im Reich Anstellung finden. Den Stelzfuß fragte er, wozu er tauglich sei und warum er das linke Bein aufgebunden habe. Dieser sagte: „Der Jagd wegen; in der Tiefe muß ich das Bein aufbinden, denn sonst springe ich über das Kleinwild hinaus und erhasche nichts. Mit beiden Beinen gehe ich auf die Hochjagd und fange die Gämsen und Rehe mit den Händen!" Da lachte der König und hieß ihn ein Probestücklein ablegen. In dem Walde waren Füchse und Hasen. Der Stelzfuß fing mit einem Beine so viele, als er tragen konnte und brachte sie lebend dem König. In einem andern Wald, wo er beide Beine gebrauchte, fing er Hirsche und Rehe. Der König war nun zufrieden, denn den kleinen Burschen mit der Riesenkraft konnte er ebenfalls gut gebrauchen. So wurden nun alle vier des Reiches Diener.
Quelle: J. Jegerlehner, Sagen und Märchen aus dem Oberwallis
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.