Die Wiedergänger im Ratshaus

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Über den Tod des Avoyer François-Joseph-Nicolas d'Alt de Tieffenthal wird folgende Geschichte erzählt:

Der Schultheiss war schon seit langem Wittwer und die vielen Jahre im Dienst des Landes liessen ihn mit Sorge in die Zukunft blicken. Er war schon zweiundachtzig Jahre alt. Was hatte er nicht schon alles erlebt! Er dachte an seinen Kriegsdienst in Österreich, und plötzlich fiel ihm eine alte Frau aus Böhmen ein, die ihm damals die Zukunft aus der Hand gelesen hatte. Ihre Worte hallten ihm noch in den Ohren: «Du wirst länger leben als ich, aber wenn die Linde vor deinem Haus dreihundert Jahre alt ist, wirst du sie nicht mehr grünen sehen.»

Er schaute hinaus und sah die Linde vor seinem Haus. Sie war in ihrem dreihundertsten Jahr und stand kahl in der winterlichen Landschaft.

Nachdenklich legte sich der alte Mann ins Bett und folgte im Traum seinen Erinnerungen.

Auf einmal hörte er die Glocke am Haus läuten. Er stand auf, öffnete das Fenster und sah den Wächter mit der Laterne in der Hand, der ihm zurief: «Die Sitzung beginnt gleich».

In diesem Augenblick sah er einen Zug dunkler Gestalten auf das Rathaus zugehen.

Schnell kleidete er sich an, nahm das Schwert mit dem silbernen Griff, setzte die Perücke auf, zog den Mantel über und machte sich auf den Weg zum Rathaus. Die Fenster waren hell erleuchtet, und das Licht der Fackeln fiel auf die alte Linde.

Als er den Saal betrat, sah er viele Verstorbene, wie seinen Vorgänger Jean-Henri Vonderweid, die sich in einer ihm unbekannten Sprache berieten.  Als die Sitzung zu Ende war, erloschen die Fackeln und die Verstorbenen verblassten zu Schatten. Unter Knacken und Klopfen, als würden Knochen aneinander reiben, verliessen die Wiedergänger den Saal und murmelten: «Diligite justitiam qui judicatis terram. Diligite justitiam qui judicatis terram».

Das war zu viel für den armen Mann. Er verliess den Saal, lief unter der kahlen Linde über die Strasse zu seinem Haus und legte sich zitternd ins Bett. Er sah noch einen Blitz, hörte die Uhr Mitternacht schlagen, dann versank er in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Tag liess er den Beichtvater kommen und starb bald darauf.

So hatte die alte Frau recht behalten: Er hatte nicht mehr gesehen, wie die Linde im nächsten Frühling wieder grün wurde.

 

Neu erzählt von Djamila Jaenike, nach: «Une seance de revenants au Rathhaus» aus: J. Genoud, Légendes Fribourgeoises, Fribourg 1892. Eingelesen und aus dem Französischen übersetzt von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

 

Une séance de revenants au Rathhaus

On raconte l'histoire suivante sur le décès de l'avoyer François-Joseph-Nicolas d'Alt de Tieffenthal :

L'échevin était veuf depuis longtemps et les nombreuses années passées au service du pays lui faisaient envisager l'avenir avec inquiétude. Il avait déjà quatre-vingt-deux ans. Que n'avait-il pas déjà vécu ! Il pensa à son service militaire en Autriche et se souvint soudain d'une vieille femme de Bohême qui lui avait lu l'avenir dans les mains. Ses paroles résonnaient encore dans ses oreilles : « Tu vivras plus longtemps que moi, mais quand le tilleul devant ta maison aura trois cents ans, tu ne le verras plus verdir. »

Il regarda dehors et vit le tilleul devant sa maison. Il était dans sa trois centième année et se tenait, dénudé, dans le paysage hivernal.

Pensif, le vieil homme se mit au lit et suivit ses souvenirs en rêve.

Tout à coup, il entendit la cloche de la maison sonner. Il se leva, ouvrit la fenêtre et vit le gardien, lanterne à la main, qui lui cria : « La séance va commencer ! »

A cet instant, il vit un cortège de silhouettes sombres se diriger vers la mairie.

Il s'habilla rapidement, prit l'épée à poignée d'argent, mit sa perruque, enfila son manteau et se mit en route vers l'hôtel de ville. Les fenêtres étaient brillamment éclairées et la lumière des torches tombait sur le vieux tilleul.

En entrant dans la salle, il vit de nombreux défunts, comme son prédécesseur Jean-Henri Vonderweid, qui délibéraient dans une langue qu'il ne connaissait pas. Lorsque la séance prit fin, les torches s'éteignirent et les défunts s'estompèrent pour devenir des ombres. Dans un bruit de craquements et de coups, comme si des os se frottaient les uns aux autres, les revenants quittèrent la salle en marmonnant : « Diligite justitiam qui judicatis terram. Diligite justitiam qui judicatis terram. »

C'en était trop pour le pauvre homme. Il quitta la salle, traversa la rue, sous le tilleul dénudé jusqu'à sa maison et se coucha en tremblant. Il vit encore un éclair, entendit l'horloge sonner minuit, puis sombra dans un sommeil agité.

Le lendemain, il fit venir le confesseur et mourut peu après.

Ainsi, la vieille femme avait eu raison : Il n'avait pas vu le tilleul reverdir au printemps suivant.

Raconté à nouveau d’après : J. Genoud, Légendes Fribourgeoises, Fribourg 1892.

© Mutabor Märchenstiftung www.maerchenstiftung.ch

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