Am Fusse des Haselbergs stand einst mitten unter schönen Äckern und Wiesen ein stattlicher Eichenwald. Derselbe gehörte als einziges Gut einer Witwe, die in der Nähe in einem einfachen Häuschen wohnte. Nicht weit von ihr herrschte ein Adeliger auf einem stolzen Schlosse. Dieser war sehr reich, besass aber keinen so schönen Wald, wo er jagen und spazieren konnte. Er wollte der Frau um teures Geld den Wald abkaufen; allein der Witwe war das Erbe, das noch ihre einzige Freude bildete, um keinen Preis feil. Da liess der Edelmann eine falsche Schrift aufsetzen; darauf stand geschrieben, dass der Wald schon lange zum Schlosse gehört habe. Dann ging er mit dem Schriftstück zum Richter. Dieser liess sich durch eine hohe Geldsumme bestechen und sprach den Wald dem Ritter zu. Die arme Witwe flehte nun zu Gott, er möge eher den Wald zerstören, als dass derselbe dem Betrüger in die Hände falle.
In einer Nacht fing es im Walde an zu rauschen und zu krachen. Die Erde erbebte, und die herrlichen Eichbäume sanken in die Tiefe. Nur noch einige Gipfel ragten empor; aber auch diese versanken bald nachher.
An der Stelle aber, wo der Wald war, entstand ein tiefer See. In der gleichen Nacht verliess der böse Edelmann mit allen Dienern sein Schloss. Niemand wusste, wohin er geflohen, und nie kehrte er wieder auf sein Besitztum zurück. Der See aber wurde später Bichelsee genannt.
Quelle: A. Oberholzer, Thurgauer Sagen, Frauenfeld 1912
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch