Die Lichter des Weihnachtsbaumes in der Fährmannsstube am Ramseyerloch waren bereits abgebrannt. Da gewahrte die Frau des Fährmanns einen dunklen Schatten jenseits der Aare, der mit den Armen winkte, als wollte er den Schiffer hinüberrufen. In dieser Zeit? Zu dieser Stunde? Gleich darauf vernahm man auch schon einen Ruf - drei-, viermal. Schweren Herzens band der Fährmann seinen Kahn los und fuhr hinüber. Wie er aber nach dem Gesichte des Mannes, der die Überfahrt begehrte, forschte, da sah er, dass ein dickes schwarzes Tuch seinen Kopf umhüllte. So, erklärte er ihm, würde er ihn gewiss nicht hinübersetzen. Da sprang der Geselle kurzweg in den Nachen und drückte dem Fährmann die Ruder in die Hand. Die Flut begann zu branden, als der Kahn über sie hinfuhr. Haushohe Wellen schienen die Häuser einreissen zu wollen. Und das Schiff tanzte, als wollte es jeden Augenblick umstürzen, sich in den Abgrund versenken. Dem Fährmann standen die Haare zu Berg. Noch nie hatte er eine solche Fahrt getan. Unbeweglich stand der verhüllte Mann vorn am Bug. Da warf der Fährmann seinen Stock nach ihm: «Du bist an alledem schuld!» Was war das? Eine Flamme zischte auf. Wie nach Schwefel begann es zu riechen. Wo aber war der Mann geblieben?
Die Frau des Fährmannes hatte vom Fenster aus schreckensvoll den Vorgängen zugeschaut. Sie sah, wie noch eine Zeitlang ein Lichtlein über einer hohen Welle tanzte. Plötzlich verschwand es im Gischt.
Aus: Hedwig Correvon, Gespenstergeschichten aus Bern, Langnau 1919
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch