Vergrabene Gespenster

Land: Schweiz
Region: Stadt Bern
Kategorie: Sage

In der alten Stadt besitzt ein Haus einen unterirdischen Gang, in dem alle die vergraben wurden, die während der paar Jahrhunderte seines Bestehens eine Untat vollführten. Und Untaten geschahen viele - die Leute erzählen sich nur davon, wenn keine Kinder in der Nähe sind. Zu gewissen Zeiten kommen die Geister aus ihrem Versteck hervor und huschen über die Galerien, die rings um den Hof laufen, dringen durch die verschlossenen Türen ein, hauchen überallhin ihren kalten, modrigen Odem und sind den Lebenden so aufdringlich, dass diese selbst am Tage keine Ruhe vor ihnen haben.

Ein junger Mann glaubte einst, seine Geschwister würden ihm einen Schabernack spielen - da waren es die Gespenster, die ihn an den Schultern rüttelten und schüttelten. Ein Kind konnte nachts gar nicht schlafen, weil sie ihm stets über das Gesicht huschten und ihm die Bettdecke wegrissen. Ein Fräulein sass die ganze Nacht mit Zahnschmerzen am Tische. Da liess sich an seiner Seite ein blondhaariges Mädchen nieder und betrachtete es mitleidsvoll. In dem Augenblick aber, da die Lebende die Tote an der Hand fassen wollte, war jene hinter dem Ofen verschwunden. Auch andern Bewohnern des Hauses zeigt sich die Blondhaarige öfters. Einst setzte sie sich auf den Stuhl, um einem kleinen Mädchen zu lauschen, das Klavier übte. Sie ist wohl nur eine aus jener Schar, die zeitweilig das ganze Haus durchfährt. Als Frauen einstmals nähend und plaudernd um den Tisch sassen, da strichen sie vorüber, plump und schwer auftretend, als hätten sie Filzpantoffeln an den Füssen. Wie viele Mieter haben sie schon aus dem Haus getrieben! Jedes Mal aber, wenn einer auszieht, der es nicht mehr aushält, dann kennt ihr Zorn keine Grenzen. Dann tost und tobt es tagelang. Eine Frau blickte einst nochmals zu den Fenstern hinauf, hinter denen sie gewohnt - da drückte sich ein leichenblasses, fremdes Angesicht an die Scheiben. Im selben Augenblick empfand sie einen Schlag, darob ihr das Gesicht rot anschwoll.

Aus: Hedwig Correvon, Gespenstergeschichten aus Bern, Langnau 1919

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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