Eine Mutter zog ihren Sohn bis zu dessen achtzehntem Lebensjahr an ihrer Mutterbrust auf. Eines Tages ging sie mit ihm in den Wald, um Brennholz zu holen. Da fanden sie grosse Tannen, die dürr waren, und sie gab dem Bub das Beil, dass er sie fälle. Er aber riss sie mit seinen Händen samt den Wurzeln aus dem Boden, machte ein Bündel und trug sie heim. Da meinte die Mutter, er könnte ausziehen und sein Brot selber verdienen. Der Bub ging und bot sich da und dort als Knecht an. Er wolle keinen Lohn, sagte er, und dinge nur auf ein Jahr. Speise und Trank und Kleider verlange er, mehr nicht, und dass der Meister am Ende des Jahres von ihm ein «Nasächnelli» annehme. Das gefiel den Leuten nicht. Sie dachten, von so einem festen Burschen sei ein Nasächnelli am Ende kein Spass. Endlich kam er zu einem Sager, der gerade einen Knecht suchte. Der dachte, das wäre ein billiger Knecht, und mit dem Nasächnelli am Ende des Jahres, da werde man schon zurechtkommen. Er nahm ihn an. Am nächsten Tag schickte er seine Knechte mit zwei Rossen und einem Wagen in den Wald ins Holz und gab ihnen den Gehilfen mit. An Ort und Stelle angekommen, machten sich die Knechte an die Arbeit. Der Neue aber legte sich auf den Boden und schlief ein. Erst, als sie den Znünisack aufmachten, wurde er munter, stand auf, setzte sich zu ihnen und ass mehr als alle miteinander. Nachher legte er sich wieder hin, bis sie heimfuhren. «Wie hat sich der neue Knecht gemacht?» fragte der Meister. «Schlecht!» sagten alle. «Nur beim Znüni hat er mitgemacht.» «Nun», meinte der Meister, «es ist das erste Mal. Der hat heute nur sehen wollen, wie man die Arbeit an die Hand nimmt.» Aber am folgenden und am dritten Tage machte er's auf die nämliche Art. Am vierten Tage schickte ihn der Sager mit den zwei Rossen und dem Wagen allein ins Holz. Er fuhr davon, lud im Walde eine schöne Bürde und setzte sich oben darauf. Aber die Pferde kamen nicht vom Fleck, sie mochten sich noch so sehr anstrengen. Es nützte nichts, dass der Fuhrmann seine Peitsche an ihnen zerschlug. Da stieg er herunter, riss eine Buche mit den Wurzeln aus und schlug auf die Pferde ein, bis sie tot zusammenbrachen.
Jetzt band er mit einer eisernen Kette das Fuder zusammen, hängte an jeder Seite ein totes Pferd an, stellte sich an die Deichsel und zog die ganze Last selber zur Säge. Auf des Sagers verwunderte Fragen erzählte er alles. Da wurde diesem bange, und er dachte nur mehr mit Grauen an das bevorstehende Nasächnelli. Er klagte seine Not einem befreundeten Weinhändler, und der sagte: «Schicke diesen Knecht an dem und dem Tage mit dem Ross am Morgen zu mir, unter dem Vorwande, ein Fass Wein bei mir zu holen. Den Wagen mache durch ein rotes Fähnchen kenntlich. Im Walde, den er passieren muss, werden Schützen auf ihn warten und ihn erschiessen. Dann wird er wohl keine Gelegenheit mehr finden, Nasächnelli auszuteilen.» Erleichtert atmete der Sager auf, und am bestimmten Tage schickte er den Knecht mit Ross und Wagen auf den Weg. Im Walde regnete es Kugeln auf ihn. Er aber netzte nur den Schläckfinger und fuhr damit über die Stellen am Leibe, wo die Kugeln abgeprallt waren. «Wie ist's gegangen auf dem Wege?» fragte der Weinhändler, als der Knecht mit Ross und Wagen unversehrt anrückte. «Gut ist's gegangen», entgegnete dieser, «nur die Brämen haben ein bisschen wüst getan.». Der Händler gab ihm ein Fass Wein und schickte ihn zurück. Auch der Sager fragte, wie es auf der Strasse ergangen sei, und erhielt zur Antwort, es sei gut gegangen, nur seien die Brämen lästig gewesen. Jetzt wurde es dem Sager angst und bange. Bei all seinen Freunden fragt er um Rat, aber alle meinten, er müsse eben den Vertrag halten, wie er ihn abgeschlossen hatte. Als des Jahres Ende nahte, probierte er noch ein letztes Mittel. Er liess in seinem Hofe einen tiefen Sodbrunnen graben und, als dieser tief genug schien, den unheimlichen Knecht allein darin arbeiten. Jetzt wälzten sie einen Mühlstein in den Sod hinunter. Aber der Knecht unten schüttelte nur den Kopf und rief hinauf, sie sollten doch die Hühner wegjagen, die ihm Unrat hinunterscharren. Weil sie aber fortfuhren, grosse Steine hinunterzuwerfen, kam er hinauf mit dem Bemerken, so verleide es ihm, zu arbeiten. Als er am Schlusse des Jahres das Nasächnelli verabfolgte, war dieses so wuchtig, dass des Sagers Kopf in vier Stücke auseinanderfiel.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch