Die Reiter von Gafertschinken

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Nicht allzuweit vom Dorfe Erlenbach liegt in Dorn und Gestrüpp verborgen zerfallenes Gemäuer. Es ist das letzte Wahrzeichen der Burg der Herren von Gafertschinken, noch heute halten diese Talherren das Land in Schrecken. Wenn an den Bergen sich Gewölk sammelt und im Tal an den Hecken schwarze Schnecken erscheinen, dann flüchtet jeder unter das sichere Dach. Selbst das Vieh wird unruhig. «Die Tschinggenreiter kommen», heisst es dann. Um Mitternacht sieht man über den Felsen hoch zu Ross einen Ritter im roten Mantel. Er bläst dreimal in ein gewaltiges Horn. Dann braust ein Sturmwind daher und reisst die stämmigsten Tannen nieder, Marchsteine fliegen durch die Luft und in den Felsen kracht und poltert's so fürchterlich, als tobte die blutigste Schlacht. Jetzt setzt sich ein gespensterhafter Zug in Bewegung, voran der rote Reiter. Der unheimliche Tross zieht unter dem Geheul der Lüfte zum höchsten Zahn des Gebirges. Beim Rosengarten hält er. Die Reiter dringen mit Speer und Spiess auf die Felsen ein, brechen grosse Klötze heraus und werfen sie mit furchbarer Wucht durch die Rinnen des Gebirgs in das Tal hinab. Erst wenn der Morgen ins Tal zieht, verschwindet der Zug. Im Dämmerlichte kann man noch die letzte der Spukgestalten entfliehen sehen, einen schwarzen Rappen und auf ihm hochflatternd ein Mantel, von welchem man nicht sagen kann, ob er einen der Ritter umhüllt.

 

Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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