Da, wo die Lütschine das Grindelwaldnertal verlässt, befindet sich die Ortschaft Burglauenen. Sie gehört zur Kirchgemeinde Grindelwald, ist aber von dem Tale durch zwei fast in die Lütschine hinausragende Felsenvorsprünge abgeschlossen.
Da, wo jetzt Burglauenen ist, stand in alter Zeit ein Dorf namens Schillingsdorf, das von bösen Leuten bewohnt war. An einem Abend bei stürmischem Regenwetter ging ein Zwerg im Dorf umher und bat um Herberge. Er wurde abgewiesen, bis er endlich bei einem Hause, wo arme Leute wohnten, mitleidig aufgenommen wurde. Den Leuten in diesem Hause zeigte der Zwerg an, dass in derselben Nacht Schillingsdorf untergehen und nur ihr Haus als einziges stehen bleibe. Um Mitternacht fing es fürchterlich an zu krachen. Ein Teil des Berges, der schon früher abgespalten war, riss sich los. Eine ungeheure Schuttlawine rollte unter entsetzlichem Donnern dem Dorfe zu. Dieses wurde verschüttet und zertrümmert, und nur wenige Menschen kamen lebend davon. Das Haus, in das der Zwerg aufgenommen worden war, soll dadurch gerettet worden sein, dass ein Felsblock, welcher dem Schutt vorangekommen war, sich gerade hinter dem Haus festlagerte und den Schutt hinter sich aufhielt oder neben sich abwies. Man sieht noch heute deutlich Spuren eines solchen Bergsturzes. Bei der Burg ist ein Stück der ganzen Höhe und Breite, etliche Klafter dick, weggerissen. Unten sieht man noch den Schuttkegel. Grosse Felsen liegen wie gesät umher, teils aus der Erde hervorragend, teils auf der Oberfläche liegend. Alles ist jetzt wieder mit Pflanzen bedeckt. Auch der Fels, welcher Retter jenes Hauses gewesen sein soll, scheint noch jetzt als Zeuge dazustehen. Ein dort stehendes Haus wird noch jetzt mächtig von einem Felsen beschirmt.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch