Der Zwerg von Itramen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Hinter Itramen bei Grindelwald war ein Mann am Heuen. Als er sich einmal nach dem Wetter umschaute, stand ein Zwerg neben ihm und bat ihn um eine Handvoll Heu. Der Bauer sah den Zwerg verwundert an. Da dieser nicht grösser war als ein Büblein, erwiderte er: «Was du in einer Bürde fortzuschaffen vermagst, kannst du haben.» Der Zwerg schien mit diesem Bescheid zufrieden, ging in die Scheune und bald fing es an, aus dem Giebel heraus Heu zu regnen. Es hörte auch nicht eher auf, bis die letzte Gabel voll draussen lag. Der Bauer aber traute seinen Augen nicht, als er sah, wie der Zwerg alles Heu in eine Bürde zusammenband und sich anschickte, diese davon zu tragen. «Halt, du Schelm!» rief jetzt der Heuer, «so war die Sache nicht gemeint. Wenn es nach deinem Sinne geht, wird's um mich und mein Vieh im Winter schlecht bestellt sein.» Der Zwerg jedoch antwortete: «Lass gut sein. Ist all dein Heu verbraucht, so lass mich's merken.» Damit verschwand er. Es zog ein harter Winter ins Land und lange vor den ersten Frühlingszeichen war das Heu aufgebraucht. Der Bauer wusste sich kaum mehr zu helfen. Wie er nun eines Tages auf dem leeren Heuboden hin- und herging, erschien im Balkenwerk plötzlich der Zwerg und fragte: «Vertraue dein Vieh nur mir an. Du aber gehe alle Tage in den Stall und verrichte dein Tagwerk. Nur musst du versprechen, die ganze Zeit kein Fluch- oder Lästerwort zu gebrauchen.» Der Mann erklärte sich einverstanden. Der Zwerg hatte inzwischen die Herde auf und davon getrieben. Der Bauer sah den Davonziehenden mit langen Blicken nach. Er tat jedoch hernach, wie er geheissen worden war. Freilich konnte er bei der Arbeit im leeren Stall den Frühling kaum erwarten. Eines Tages wurde er über der sinnlosen Arbeit verdriesslich und fing laut zu fluchen an. Kaum waren ihm die Fluchworte entschlüpft, war ihm, als höre er die Glocke seiner Leitkuh. Schnell sprang er zum Giebelboden und spähte durch die Luke hinaus. Der Glockenton schien ganz nahe vom Fuss des Eigers her zu kommen.

‏Und jetzt kam richtig seine Herde am nahen Waldrand zum Vorschein, rund und fett, und neben jeder Kuh gleich ein Kälbchen. Auf der hintersten Kuh sass der Zwerg. Wie nun der Zug am Stalle eintraf, sprang der kleine Reiter zu Boden, drohte dem Bauer mit dem Finger und rief: «Hätt'st dein Versprechen gehalten, hätt' ich das Vieh noch länger behalten.» Damit war er verschwunden. Als aber der Senn die letzte Kuh besah, hatte sie nur noch drei Zitzen.

 

Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)