In der Alp Sevinen in Lauterbrunnen geschah es, dass alle Kühe plötzlich mäuschenstill standen, wie von einem Zauber gebannt, den Kopf zur Erde hängten und alle Glocken still wurden. Es war, als wenn die Tiere einen Anschlag im Schilde führten und plötzlich «rückten» sie und kamen weg, niemand wusste wohin. Merkten das die Sennen früh genug, so riefen sie: «Standit in Gottes Nama still!» Dann war der Zauber gelöst und die Kühe fingen wieder an zu grasen. Waren die Tiere aber, von unsichtbaren Mächten getrieben, bereits in Bewegung, so konnten die Knechte mit Rufen und Pfeifen ihnen nachrennen; aber nur jene Kühe, über welche sie den Melkstuhl zu schleudern vermochten, blieben stehen. Die anderen «rückten». Auch hier blieb den Sennen nichts übrig, als abzuwarten, bis nach drei Tagen die Tiere wieder heimkehrten. Einer der Bauern, die auf Sevinen Sömmerungsrecht besassen, hiess einst die Knechte, wenn das «Rücken» beginne, nur gehen lassen, «sie werden nicht zum Teufel fahren». Die Sennen befolgten das und riefen: «In Gottes Namen standit still, nur Hansen Peters chennen gan». Wirklich blieb das ganze Senntum stehen, nur Peters zwölf Stücke verschwanden. Im Frühling, als die Hirten auf Sevinen kamen, fand man die Abhandengekommenen unter der Obhut eines Zwerges. Zum Zeichen, wie trefflich sie besorgt waren, trug jede Kuh am Horn eine schöne Fluhblume, andere eine schwere Kornähre und dazu in einem Säcklein als Zins fünf Neutaler.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch