Der Bergpass, über welchen der Wanderer steigen muss, wenn er von Grindelwald ins Oberhasli-Tal geht, heisst die grosse Scheideck. Dieses sehr häufig bereiste Gebirg ist berühmt durch die vielen fruchtbaren Alpen. Auf einer dieser Alpen, die Trichelegg genannt, hütete vor Zeiten Hans Kuhschwanz. In einer Nacht, als er auf dem Heuboden liegend lange über seine Armut nachgedacht hatte und unter Sorgen eingeschlafen war, träumte ihm, er stehe zu Thun auf der Brücke und es komme ein Mann, der ihm etwas kund tue, was ihm, dem Hans Kuhschwanz, solange er lebe, nütze. Hans erzählte am Morgen diesen Traum seinem Mädchen, und gross war sein Erstaunen, als diese ihm versicherte, sie habe dasselbe geträumt. Hans hatte nun keine Ruhe mehr auf der Alp, es zog ihn nach Thun. Er nahm von seinem Mädchen Abschied und ging. Zwei Stunden schon stand er am anderen Morgen auf der Brücke, aber sein Glücksmännlein erschien nicht. Es rückte gegen zwölf Uhr mittags, und er blickte grämlich zum Niesen hinauf. Da sprach ihn auf einmal eine Stimme rauh an, was er da stehe und warte. Hans erzählte seinen Traum, doch verschwieg er dabei seinen Namen und Wohnort. «Du bist ein Narr», sagte der Unbekannte zu ihm, «und dümmer als ein Kuhschwanz. Mir hat letzte Nacht geträumt, ich finde in der Sennhütte auf der Trichelegg unter dem Feuerherd einen Hafen voll Silber und Gold, und ich rühre deshalb kein Glied.» Als Hans das hörte, dachte er: Nun weiss ich genug, und eilte heim. Hier angelangt, grub er am Feuerherd ein Loch, und richtig, er fand den Hafen mit dem Geld. Er liess nun auf der Alp neue Hütten bauen, schaffte sich ein schönes Senntum an, heiratete sein Mädchenund war ein reicher Mann.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch