Einst kam einer der fahrenden Schüler, die in den Bergen Kristalle und nach Goldadern suchten, und sich auch auf geheime Künste verstanden, ins Tiefental. Im Heidenhaus klopfte er an und bat um ein Nachtlager. Der Bauer gab Bescheid, seine Frau erwartete noch diese Nacht ein Kind und er könne keinen Fremden aufnehmen. Der Fahrende drängte aber und bat den Bauern bei dem bösen Wetter unterstehenzu dürfen. Da willigte der Bauer ein.
In der Nacht kam die Frau des Bauern nieder. Bei jeder Wehe rief da der Scholar: «Noch nicht! Jetzt noch nicht!» Einmal sagte er dann: «Aber jetzt!» Der Bauer stellte den Fremden deshalb zur Rede. Der wollte mit der Antwort nicht herausrücken. «Hättet ihr mich nur nicht danach gefragt. Jetzt sollt ihr es eben wissen. Wenn ich der Geburt nicht entgegengehalten hätte, wäre das Kind später zum Selbstmörder geworden.» «Und jetzt also nicht?» fragte der Bauer. «Jetzt wird ihn ein anderer töten, wenn er neunzehn Jahre alt ist.»
Dafür wollte der Bauer einen Beweis. «Den will ich schon geben», meinte der Fahrende. «Übermorgen wird sich ein Füllen am Anbindestrick erhängen.» Der Fahrende bedankte sich für Speis und Trank und ging davon. Am übernächsten Tag fand der Bauer dann wirklich das Füllen erhängt im Stall. Da wurde er nachdenklich und sein Herz wurde schwer.
Als das Kind zum Burschen herangewachsen war und der von dem Fremden vorausgesagte Tag näherrückte, sperrte ihn der Bauer in eine kleine Kammer im Dachstock ein. Hier wird keiner an ihn herankommen, dachte er. In den späten Abendstunden trieb die Tiefentaler Jungmannschaft sich um das Haus herum. Ihr wildes Spiel artete bald in böse Händel aus. Da gewahrte der Bursche von seiner Kammer aus, wie sein bester Freund von einem wilden Burschen hart angegriffen wurde. Da wollte er sich nicht zurückhalten und sprang in den Hof hinab. Er erhielt einen Messerstich in den Bauch und sank tot zusammen.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch