Einst herrschten im Emmental die Ritter des Deutschen Ordens. Der ärgste Vogt unter ihnen war der Ritter Hans von Stoffeln. Er zwang die Bauern auf dem Bärenhegenhubel eine Burg zu bauen. Als die Burg stand, wollte er auch einen Schattenplatz haben und befahl, hundert grosse Buchen vor die Burg zu pflanzen, sonst lasse er sie auspeitschen und auf ihre Weiber und Kinder die Hunde hetzen. Da wussten die Bauern keinen Rat.
Als sie in ihrer Angst dasassen, trat der Grüne zu ihnen und versprach, er wolle die Buchen vor die Burg setzen, doch verlange er zum Lohn ein neugeborenes, ungetauftes Kind. Auf solchen Frevel aber wollten sich die Bauern nicht einlassen. Einer von ihnen hatte ein schlaues Weib, Christine. Die erklärte, man solle auf diesen Handel ruhig eingehen, sie wolle dann schon damit fertig werden. Die Bauern sagten zu und schon standen die hundert Buchen vor der Burg, als wären sie immer dort gestanden.
Nun wurde im Tal ein Kind geboren und die Mutter schickte nach dem Pfarrer und liess das Kind taufen. Die Bauern meinten, sie seien nun aus der Sache. Doch wuchs plötzlich auf Christines Backe eine schwarze Eiterbeule und aus dieser kroch eine Spinne, die sich im Fleisch festkrallte und wie höllisches Feuer brannte. In ihrem Schmerz war Christine bereit, alles zu tun, damit der Teufel das erhalte, was er sich ausbedungen hatte. Aber auch das nächste Kind war bereits getauft, bevor der Teufel es holen konnte.
Da barst die Spinne in Christines Gesicht. Unzählige Spinnen liefen davon und krochen dem Vieh ins Futter. Als der Burgherr vom grossen Viehsterben vernahm und von dem Pakt, den die Bauern mit dem Teufel geschlossen hatten, fuhr er sie hart an. Was sie versprochen hätten, müssten sie nun halten, sonst würden sie ihm für den Verlust an Vieh tausendfältig büssen. Da beschlossen die Bauern, den Teufel zufriedenzustellen. Das nächste Kind, das geboren werde, sollte Christine in den Kirchstalden tragen; dort könne der Böse das Kind holen. Das Weib, dessen schwere Stunde nahte, war die Frau des Bruders von Christines Mann. Dennoch waren alle willens, dieses Kind ungetauft dem Bösen zu überlassen, damit die Seuche endlich erlösche. Umsonst schickte die Mutter des Kindes nach dem Pfarrer. Christine entriss der Wöchnerin das Neugeborene mit Gewalt und rannte zum Kirchstalden. Doch der Pfarrer lief ihr nach. Dort sah er den Bösen schon auf seine Beute lauern, und Christine, die ihm das Kind engegenhielt. Doch der Pfarrer sprang dazwischen und besprengte das Kind mit geweihtem Wasser. Da schrumpfte Christine zur giftgeschwollenen Spinne zusammen und der Böse fuhr heulend davon.
Mutig packte der Pfarrer die grosse, schwarze Spinne, schleuderte sie weg, packte das Kind und eilte zur Mutter zurück. Doch das Kind starb in den Armen der Mutter. Der kleine Leib war mit brandigen Flecken bedeckt und schwarze Beulen zeigten sich auch auf der Hand des Pfarrers. Als er sich zum Pfarrhaus schleppte, stiess er auf Christines Mann. Der lag mit verrenkten Gliedern im Gras und auf ihm hockte die riesige Spinne. Von da an zeigte sich überall im Tal die schwarze Spinne. Wen ihr Biss traf, dem wühlte es wie mit feurigen Stacheln im Leib. Gift rann durch seine Adern, bis der Tod ihn hinstreckte.
Keiner blieb verschont, weder das Kind in der Wiege, noch der Greis im Bett. Aber noch schrecklicher als das Sterben war die Angst vor der Spinne. Bis hinauf in die Burg drang der Schrecken und die Adelsherren der Gegend gaben dem Ritter Hans von Stoffeln die Schuld an dem Unheil. Da vermass dieser sich, die Spinne zu vertilgen. In seinem eisernen Wams ritt er aus dem Schloss. Aber schon sass die Spinne wie ein verzierter Helm auf seinem Kopf und glotzte mit grünfunkelnden Augen herab. Alles Volk stob aus dem Wege. Und durch das Haupt des Ritters hindurch brannte sich die Spinne tief ins Gehirn. Vor Schmerzen wahnsinnig, gab er dem Ross die Sporen, und Ritter und Ross zerschellten in den Felsen. Immer ärger wurde das Übel. Es war kein Ort mehr im Tal, wo man vor demGreuel Schutz gefunden hätte; einzig das Haus, wo die Frau wohnte, die ihr Kind mit Hilfe des geweihten Wassers gerettet hatte, war vor der Spinne gefeit. Im Vertrauen auf die Hilfe des Allmächtigen fasste sie den Entschluss, die Spinne zu fangen, und sollte sie ihr Leben dabei lassen. Sie bohrte ein tiefes Loch in den Türbalken, schnitt sich einen Zapfen der genau hinein passte, besprengte beides mit Weihwasser und hielt sich Tag und Nacht bereit.
Eines Nachts fuhr sie aus dem Schlaf auf und sah die riesige Spinne auf ihr Kind zukriechen. Da fasste sie mit raschem Griff das Untier. Wie Feuer drang es ihr durch Hand und Arm bis ins Herz hinauf. Aber sie liess die Spinne nicht los, presste sie in das Loch, stiess den Zapfen nach und schlug diesen fest. Da sauste und brauste es wie ein Gewittersturm im Gebälk und das Haus erbebte in den Grundfesten. Aber der Pflock hielt. Die schwarze Spinne war gefangen. Die Frau legte sich zum Sterben hin; doch sie wusste, ihr Kind war gerettet und das Land von der Plage erlöst.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch