Im hintern Talgraben soll einst eine Zwingherrenburg gestanden haben. Noch heute erkennt man die nach drei Seiten steil abfallenden Stellen, wo die Burg einst weit über das hügelreiche Emmental hinweg schaute.
Der letzte Bewohner der Burg war ein gefürchteter Zwingherr, der seine Untertanen mit Fronarbeit und Zehnten hart bedrückte. Als er das Ende nahen fühlte, bereitete ihm sein unermesslicher Reichtum schwere Sorgen. Sein einziger Sohn war auf dem Schlachtfeld geblieben, und seinen Verwandten mochte er nichts gönnen. Da beschloss der habsüchtige Zwingherr, Gold und Silber und Edelgestein an einem heimlichen Ort zu verbergen. Mit letzter Kraft schleppte er seine Schätze heimlich an den Weiher eines seiner Untertanen und versenkte sie darin.
Kurze Zeit darauf starb er. Im Grabe fand er keine Ruhe. In der Gestalt eines garstigen, alten Vogels mit triefenden Augen und zerschlissenem Federgewand muss er bis auf den heutigen Tag den verborgenen Schatz Nacht für Nacht hüten. Zwei unschuldigen Kindern soll es gelingen, die Schätze zu heben, aber sie dürfen während der Arbeit keinen Laut von sich geben.
Vor vielen Jahren, der Weiher war längst zugeschüttet, sollen zwei Kinder nach dem verborgenen Schatz gegraben haben. Die Arbeit ging ihnen leicht von der Hand. Bald drangen sie zu einem grossen kupfernen Gefäss vor. In diesem Augenblick flatterte der Zwingherr in der Gestalt des garstigen Vogels heran. Ein Schrei des Entsetzens entfuhr den Kindern, und die Öffnung wurde von unsichtbarer Hand mit Erde zugeschüttet.
Seither soll niemand mehr nach dem Schatz gegraben haben. Der Zwingherr aber muss weiterhin seine Schätze hüten und kann seine Ruhe nicht finden.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch