Auf einer Alp des Emmentales musste der Senn bei jeder Abfahrt eine Kuh zurücklassen, wenn es gut gehen sollte. Im Lenze fand man von ihr nur noch das stehende Gerippe. Ein frischer Knecht, der sich hierüber verwunderte, bat den Meister, die Kuh herabholen zu dürfen, sie reute ihn. Der Senn mahnte ihn erst davon ab, als der Knecht jedoch darauf bestand und nur um Erlaubnis bat, den grossen Hund mitzunehmen, zuckte er die Achseln und liess ihn gehen.
Abends bei der Sennhütte angekommen, machte der beherzte Bursche ein Feuer, um etwas zu kochen, und behielt den Hund stets bei sich. Auf einmal verlöschte das Feuer und begann im Kamin ein mächtiger Lärm. Vergebens versuchte er das Feuer anzufachen und begab sich endlich zur Schlafstelle, wo er sich aufs Stroh legte. Bald hörte er deutlich jemanden käsen. Unerschrocken ging er zum Herde und fragte, wer da sei. Keine Antwort erfolgte, und auch vom Käsen war weder Gerät noch irgendetwas zu sehen. Der Knecht begab sich wieder auf sein Lager. Als er wieder «abgelegen» war, vernahm er das Sennen wieder, bis der Käse unter der Presse war. Jetzt trat eine schwarze Gestalt vor ihn und fragte, ob er nichts essen möge? «Gott Lob und Dank», erwiderte unser Bursche, «ich habe weder Hunger noch Durst.» Bald wurde ihm in einer Gelte Milch zum Trinken angeboten, was er mit den gleichen Worten abwies; endlich liess er sich bereden, etwas anzunehmen. Eine Weile nachher bot ihm der Schwarze Fleisch an; der Knecht nahm endlich ein Stücklein an, was er wieder mit der Äusserung ass: «Gott Lob und Dank, jez hani gnuog.»
Da ward es ruhig. Frühmorgens zündete der Knecht eine Fackel an, ging in den Stall und fand seine Kuh noch lebend, ausser dass ihr am Hinterteile just das Stückchen Fleisch fehlte, welches er verzehrt hatte. Jetzt erst war er froh, dass er nicht mehr genommen hatte. Er nahm sie an der Halfter und führte sie weg, ohne das entsetzliche Gepolter zu achten, welches in der Sennhütte herumfuhr, wo alle Furien der Hölle los schienen. Furchtlos, aber stets mit der brennenden Fackel und dem Hunde, welcher wie wütend bellte, verliess er den Stall und ging durch die Weide. Als er zum Türlein gelangte, welches aus der Alp führte, ging erst recht ein Gerassel, Gepolter, Heulen, Surren, Schnurren und Schneuzen los, dass ihm Hören und Sehen verging. Alle finsteren Mächte schienen ihr Wesen zu treiben und auch der Schwarze erschien und rief ihm grimmig zu: «Wenn du nit Bissigs und Brönnigs bider hettisch, thäti di i tusig Stückelni zerrissen.» Noch eine Weile von dem höllischen Spektakel verfolgt, ging der Knecht ruhig seinen Weg und langte wohlbehalten beim Meister an. Seitdem war die Alp aus der Gewalt der bösen Mächte befreit.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch