Unweit der Stadt Bern wohnte ein Sattler, der schlimme Franz oder der Sattler-Franz genannt. Seine Schlauheit bestand im Betrügen. Wer mit ihm zu tun bekam, steckte schon im Sack und dennoch gab man ihm Aufträge. Alles, was er herstellte, war zwar schön verziert und prangte in allen Farben, war aber von schlechtester Art. Das Lederzeug hielt kaum vom Morgen bis zum Abend. Einst kam des Bischofs Hofkaplan aus dem Wallis über den Grimsel geritten. Sattel und Zaumzeug hatte er zuvor beim Sattler-Franz gekauft. Er gelangte wohlbehalten bis an die glatte Platte. Da strauchelte sein Maultier, fiel jedoch nicht zu Boden. In diesem Augenblick zerrissen aber Sattelgurt und Steigbügelriemen und der geistliche Herr stürzte in dieTiefe, brach Arme, Bein und Hals.
Sein Tod erfolgte so schnell, dass er kaum Zeit hatte, seine Seele Gott zu empfehlen und den Sattler-Franz zu verwünschen. Als die traurige Nachricht nach Bern gelangte, lachte der Sattler Franz nur und sagte: «Der hochwürdige Herr ist ein schlechter Reiter gewesen. An der 'glatten Platte' steigt niemand ab», und dergleichen mehr.
Ein paar Tage vergingen. Als der Sattler-Franz eines Abends aus der Schenke trat, kam ein heftiger Sturmwind auf. Es brauste und zischte, heulte und brüllte. Wer in den Sturm hineinkam, bekreuzigte sich, denn man dachte, die Hölle sei losgelassen. Dem Sattler-Franz wurde es unheimlich zu Mute. Als er endlich vor seinem Hause angelangt war, fiel ihm ein Ziegel vom Dach auf den Kopf und traf ihn so unglücklich, dass er noch in der gleichen Nacht starb.
Seit jener Nacht treibt er sich als Fuchs im Land umher. Im Winter versteckt er Pferdegeschirre oder Lederzeug aus den Stallungen und versteckt sie in den Höhlen und Schluchten der Wälder. Man sagt, der Unglückliche könne nur durch einen ehrlichen Sattler erlöst werden. Warum dies bis heute nicht geschehen ist, weiss man nicht.
Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch