Eine Stunde südlich von Bern hebt sich aus dem Gelände die liebliche Höhe des Gurtens empor. Den Gipfel desselben krönen die Trümmer der alten freiherrlichen Burg Ägerten. Hier hauste vor alten Zeiten einmal ein Ritter, arm an Geld und Gut, um so reicher aber an frischem, frohem Mut. Zu diesem kam nun eines Tags eine prunkvolle Gesandtschaft vom König von Frankreich, um ihn zur Teilnahme an einem Feldzuge einzuladen.

‏Der Herr von Ägerten hatte wohl Sattel und Rüstzeug, aber kein Pferd. Dennoch versprach er der Gesandtschaft, ihr mit dem ersten Frühlicht zu folgen. Als nun die Franzosen beim ersten Tagesschein in den Schlosshof hinabgestiegen kamen, sahen sie zu ihrem grossen Erstaunen den Ritter oben auf der Ringmauer vollständig gewappnet da sitzen, den Pferdezaum in der Hand, die Sporen tief in die Mauer setzend. Bei diesem Anblick lachten die Franzosen und merkten, wo den Ritter der Schuh drückte. Sogleich liess der Führer derselben ein edles Ross vorführen, auf welches der Ägerten sich gewandt hinaufschwang und davon trabte. Lange Jahre waren ins Land gegangen. Da kam der Ritter reich an Geld und Ehren aus dem Kriege heim. Seine Burg war indessen zerfallen. Vergnügt zog der Edle hinein in die rasch auflühende Stadt Bern und wurde deren freier und treuer Burger.

Aus: P. Keckeis, M. Waibel, Sagen der Schweiz. Bern, Zürich 1986.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch