In Giswil hatte es mehrere, die gestohlene Sachen zurücktreiben konnten, nur durften es nicht mehr als zwei Personen wissen. Der Geschickteste derselben war aber weitaus der Bardma. Er wohnte im Kleinteil und war viele Jahre Rinderhirt; seine Kunst hatte er in fremden Kriegsdiensten erlernt, von wo er Zauberbücher mit heimgebracht. Bei seinem Hirtendienst half ihm seine ältere Tochter aus, welche dazu noch die Geissen hüten musste. Mit diesen zog der Hirt ein von einem Bauern geschenktes zu früh geworfenes Kälbeli auf und sagte dem Meitli, es könne das Kalb haben, wenn es schön dazu schaue. Das Meitschi hatte gar grosse Freude an seinem Buischi und im nächsten Jahre war es eines der schönsten in der ganzen Alp. Als das Meitli eines Tages
wie gewohnt den Rindern nachging, kam es schreckensbleich zurückgelaufen, weinte und klagte dem Vater sein Buischi sei nicht mehr zu finden, es sei gestohlen worden, es habe das Gspor auf der Egg beim Türli gesehen, es sei durab gegen den Sörenberg gegangen. Da suchte der Vater seine Tochter zu beruhigen, sagte: «Brügge nur nicht mehr, wenn dein Buischi noch am Leben ist, wird es schon wieder kommen.»
Er schnetzele mit seinem Hegel einen Haspel zurecht, nahm ein Büechli mit und sagte, komme mit mir das Rind holen. Sie gingen hinauf auf die Egg ob's Türli, wo man so schön in den Sörenberg hinaussieht. Nun stellte der Vater seinen Haspel auf, nahm das Büchlein zur Hand und sagte dem Meitschi, es solle jetzt gut aufpassen, ob es jemanden vom Sörenberg herkommen sehe. Der Vater trieb nun eine Zeitlang den Haspel hurtig um. Als nun auf einmal das Meitschi jemanden von weit her im Laufschritt und ein Haupt Vieh an der Hand herankommen sah, stiess es einen Freudenschrei aus; der Hirt verlangsamte den Lauf seines Haspels, bis er zuletzt fast stillstand. Der Rinderschelm kam gar bald durch die untere Alp hinauf gegen das Eggtürli zu. Schweisstriefend und keuchend riss er das Türli auf, worauf das Rind einen Gump nahm, und zu seinem Hirtenmeitschi lief, und anfing es zu schlecken. Der Entlebucher aber stürzte zu Boden, keuchte und rauchte wie ein Motthaufen. Der Bardma aber ging mit seinem Meitschi und dessen wieder gefundenen Buischeli der Hütte zu. Seitdem hatten die Rinder im Schwendeli vor den Entlebuchern Ruh.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch