Wenn man von Niederrickenbach dem Berg entlang über einen Waldbach durch Wald und Wasseneggli nach Oberrickenbach geht, so kommt man auf diesem oft gefährlichen Wege ob dem Dorfe Wolfenschiessen an einen Ort, wo man unter dem Weg einen sehr grossen Stein eingeklemmt findet, zwischen zwei andern, sonst wie geschlossenen und festen Felswänden. Wenn man auch unten im Tale hinter dem Dorfe Wolfenschiessen seinen Weg fortsetzt nach Engelberg, so sieht man, seine Augen links richtend und die Mitte dieses Gebirges betrachtend, dieses so eingeklemmte Felsstück. Und man muss sich wahrhaft verwundern, dass dieser grosse Stein bei einem Erdbeben, Ungewitter oder Wolkenbruche vom Bergesgipfel herab gerade diese Richtung nahm und keine andere und dass er auch so schön in diese, hier sich teilende Felsen- wand passte und dass endlich die beiden entgegenstehenden Felswände ihn aufnahmen, seinen Druck aushalten konnten und nicht zerbarsten: Das kam so:

Bei einem schrecklichen Gewitter in diesen Bergen wollte einst eine Hexe diesen Stein auf die Wiesen hinter dem Dorfe Wolfenschiessen hinunterlassen und mit selbem viel Unglück, Erdrütsche, Verheerungen, Zank und Streit, Fluchen und Schwören anrichten. Aber der Sigrist von Wolfenschiessen läutete bei Ungewittern gar fleissig das Glöcklein im Beinhause und dieses Glöcklein ist eigens und absonderlich geweiht gegen Hexen, Zauberinnen, Unholde, böse Leute, gegen Ungewitter und alle Machinationen der Hölle und des Pfütüfels. Als nun so das Glöcklein läutete und die Menschen beteten, wurde der herabfallende Stein eingeklemmt und der Zauber der Hexe hatte ein Ende.

Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch