An einem Herbsttage kam der Fuhrmann Balz ab der Langwies von Chur nach Tschiertschen, und noch in der Nacht wollte er heim. Es war stichdunkel, so dass man ihn warnte, weiterzugehen, da ihm so leicht ein »Ungfell« zustossen könnte, und er dann hilflos umkommen müsste. Balz aber war ein unerschrockener Wildner, und hart wie der Felsen, an den daheim sein Häuslein lehnte; aber roh und gottlos war er auch, der Balz; und so tat er den Fluch, er gehe heim, und wenn selbst der Teufel käme, der würde ihn nicht »baschgen«, oder ihn auf den »letzen« Weg bringen.
Gesagt, getan; der böse Balz liess sich nicht halten, und ging, und kam glücklich in den Wald hinterhalb des Dorfes, bis zum Holzriese, das ins Tobel fällt. Aber dort stellte sich ihm ein Mann von sonderbarer Körperbildung entgegen, der behauptete, Balz sei auf dem unrechten Wege. Balz sagte »nein« und wollte, den Unheimlichen bei Seite drückend, seinen bekannten Weg vorwärts gehen. Nun machte sich der Fremde daran, den Balz gewaltsam vom rechten Wege abzuleiten; der aber liess sich den Bart nicht zausen und wurde mit dem Andern »handsgemein«. Beide waren aber gleich stark, und es war ein fürchterliches Ringen. (Ein Bube mit einer Laterne war ihm nachgegangen. Dem grausete es ob der Balgerei und er eilte heim, zu erzählen was er vernommen.)
Im Dorfe horchte man, ob nicht ein Hilferuf von Balz, der in der Dunkelheit den Weg ohne Anders verfehlen musste, zu vernehmen sei, damit man etwa noch helfen könne. Lange Zeit war nichts zu hören, bis auf einmal ein verworrenes Fluchen vom Tobel her, dann ein Krachen und Rascheln, als ob ein grosser Stein durch die Stauden hinab rolle; erst nach einer Weile wurde es still. Am Morgen suchte man nach dem Balz, aber nirgends konnte man ihn finden.
Nach vielen Monaten kam endlich Balz wieder zum Vorschein, von Langwies heraus nach Tschirtschen, aber gleich bemerkte man an ihm eine gewaltige Veränderung. Er war nicht mehr so roh und gottlos.
Man fragte ihn, wie es ihm in jener Nacht gegangen sei, und da erzählte er, im Ries sei ihm der Böse, den er bis anhin nicht gefürchtet habe, begegnet, mit dem habe er gerungen, bis es »z'Tag glüt'«. Keiner habe den Andern wollen laufen lassen und sie hätten sich beide zu erwürgen gesucht; im Ringen seien sie miteinander das Ries hinuntergekugelt und noch unten im Tobel, am Wasser hätten sie gerungen und keiner »lugg« lassen wollen. Da habe es gegen Morgen »z'Tag glüt'« und auf einmal sei der Andere verschwunden.
Balz zeigte die Male an seinem Hals, und von da an hiess das Ries, wo der Böse ihn angepackt, das »Balz-Ries«.
Quelle: Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 38-40.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.