Rechts neben dem Rothorn in der Gemarkung der Gemeinde Giswil liegt melancholisch hingebettet der Eisee, ein kristallheller Bergsee, dessen Ausfluss dem Auge nicht sichtbar ist und erst bei Sörenberg ans Tageslicht tritt. Ringsum sind alpine Triften und Abhänge, welche mit aparti guten Gräsern bewachsen sind. Diese Alp gehörte einst samt See den Giswilern und es konnte selbe ihrer abgelegenen hohen Lage wegen nutzen, wer Lust dazu hatte; eine eigentliche Stuhlung hatte sie nicht. Durch viele Überschwemmungen in Armut gebracht traf es sich, dass begreiflich niemand diese Hochalp besetzte, da man die näher gelegenen Alpen kaum mehr besetzen konnte, und so wurde die Alp Eisee vergessen viele Jahre hindurch, und niemand kümmerte sich mehr darum. Als aber einmal ein wohlhabender Bauer von Giswil auf alle Alpnutzung verzichtete, wenn ihm Eisee alleinig als Hochalp angewiesen werde, was ihm bereitwilligst zugestanden wurde, hat er diese Sonderstellung mit grossem Schaden bezahlen müssen.
Als er nämlich auf diese Alp gefahren kam, mit vielen schönen Kühen, wie man sie schöner nicht denken konnte, wurde er von den benachbarten Bernern überrascht, seines sämtlichen Viehes beraubt und konnte bloss mit knapper Not sein Leben retten.
Alles Protestieren der Giswiler und Obwaldner fruchtete nichts, die Berner waren mächtig, hatten schon seit vielen Jahren ohne Widerred diese Alp genutzt, und so erwuchs ihre Nutzung allmählich zu einem bleibenden Recht.
Eisee hatte ein eigenes Bergdorf, wo sich die benachbarten Älpler massen in Kraft und Ausdauer; dabei ging es oft hoch und hitzig zu. Sei es, dass durch althergebrachte Überlieferung oder durch allzu rege Phantasie die Älpler zu stark ins Feuer gebracht wurden, Tatsache ist, dass bei diesen Anlässen Schlägereien vorkamen, so dass sich die Regierung von Obwalden im Einverständnis derer von Bern veranlasst fühlte, das Eisee-Dorf kurzerhand zu verbieten. Noch heutzutage finden wir schneeweisse Männer in Giswil, die Feuer und Flamme werden, wenn man auf die Kämpfe auf Eisee zu sprechen kommt.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch