Früher hörte man in Nünningen oft den Pfiffer, bald war er nahe beim Dorf, bald verschwand er blitzschnell. Ein Bauer ging einmal in die Chalm. Plötzlich ertönte dicht neben ihm ein greller Pfiff, der ihm durch Mark und Bein drang. Kaum hatte er sich vom ersten Schreck erholt, da vernahm er den gleichen unheimlichen, markdurchdringenden Laut von der Riseten her. Mit der Schnelligkeit eines Pfeiles hatte der Pfiffer die Distanz von einigen hundert Metern überwunden. Kaum war der Widerhall verklungen, vernahm man ihn wieder ganz in der Nähe, in der Aumatt.
Einmal hatte der Nunninger Unterweibel die Absicht, nach Solothurn zu gehen. Ein Zullwiler wollte ihn begleiten. Die beiden Männer hatten verabredet, derjenige, der zuerst auf dem Berge droben ankomme, solle einmal pfeifen, damit der Kamerad wisse, dass er sich beeilen müsse. Vom Nunningerberg aus wollten die beiden dann den Weg gemeinsam zurücklegen. Der Unterweibel hörte schon früh um zwei Uhr, als er das Haus verliess, den ersten Pfiff. Er schnaufte aus Leibeskräften den Berg hinan. Immer wieder ertönte ein schriller Pfiff. Auch als der Unterweibel auf dem Berge stand, vernahm er aus dem Walde den Pfeifer. Jetzt ahnte der Mann, dass es nicht sein Zullwiler Begleiter sein konnte. Gemächlich schritt er nun gegen das Beinwilertal hinab. Als er zum Neuhüsli kam, stand der Zullwiler auf dem Weg und wartete auf den verspäteten Nunninger. «Hast du gepfiffen?» fragte der Unterweibel. «Nur einmal», gab ihm der Zullwiler zur Antwort. «Also doch!» meinte der Unterweibel, «das habe ich mir doch gedacht, dass der Pfiffer auf dem Berg sein Unwesen treibt und die Leute zum Narren hält».
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch