Einst war ein gewalttätiger Vogt Herr von Gilgenberg. Wer sich seiner Willkür nicht fügte, verkam in einem der Verliese der Burg. Dieser Vogt hatte auch eine Tochter, die hart und hochfahrend war wie ihr Vater. Am liebsten zog sie durch die Wälder und erlegte Wild aus reiner Mordlust. Einst, als sie zur Jagd ritt, sah sie einen jungen Burschen von Himmelried, der auf dem Acker Korn schnitt. An ihm entbrannte die Lust der losen Tochter, und sie nahm ihn mit aufs Schloss. Auch dem Bauernburschen gefiel das Leben auf dem Schloss, und er wich nicht mehr von ihrer Seite. Er vergass Eltern und Braut im nahen Dorf. Einmal wagte er es, von selbst nach dem unzüchtigen Mädchen zu greifen. Da fuhr sie den Burschen zornig an und schalt ihn einen dummen Bauern, dem sie das Herz schon zu kühlen wisse.
Schon in der gleichen Nacht lag der Bursche im tiefsten Verlies dieser Burg, aus dem noch keiner zurückgekehrt war. In der Nacht erwachte er und sah eine lichte Gestalt bei der Mauer stehen. «Du kannst mich aus meinem Bann erlösen und dich befreien, wenn du mich dreimal unter wechselnder Gestalt küssest.» Da gab es für ihn kein Überlegen. Er trat auf die Frauengestalt zu, um sie zu umarmen. Da verwandelte sich die Frau in eine Schlange, doch der Bursch ergriff den Schlangenkopf und küsste diesen aufs Maul. Beim zweiten Mal hatte er statt der Frau einen stinkenden Ziegenbock im Arm, den er auf seine nassen Nüstern küsste. Aber nun sah er ein geschupptes Untier auf sich zukommen, mit dornigen Flügeln, das aus seinem Schlund Feuer spie und zischte. Doch der Bursche schloss die Augen, griff mit beiden Händen nach dem gewaltigen Kopf und küsste das Untier.
Da war plötzlich der böse Spuk verschwunden. Ein Luftzug fuhr durch eine offene Tür, die ins Freie führte. Der Bursche trat ins Freie und lief dann schnell ins Dorf hinab. Doch wie er ins Haus seiner Braut trat, schaute diese erschrocken auf sein Gesicht. Im Spiegel sah er, dass sein Gesicht schwarz verbrannt war. Das war wohl der giftige Atem des Untiers gewesen. Doch die Braut fasste sich und sagte: «Gott sei gepriesen, dass du wieder bei mir bist, mein schwarzer Bub.»
Bald wurde Hochzeit gehalten. Der Name «Schwarzbub» verblieb aber dem jungen Ehemann, und Schwarzbuben heissen alle seine Nachkommen bis auf den heutigen Tag.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch