Das zertrümmerte Schloss Thierstein liegt an der nördlichen Seite des Jura auf einem kleinen Hügelvorsprung, zu dessen Füssen sich die Lüssel in kleinen Windungen vorbeischlängelt.
Zu den Zeiten, da das mächtige Geschlecht der Riesen, welche einst diese Gegend und das Elsass bewohnten, schon in Verfall zu geraten begann, lebte auf der Burg Thierstein ein Riese, dem das Volk des ganzen Tales untertänig war. Seine Tochter, welche noch nie aus dem Schlosse herausgekommen war, wanderte an einem Frühlingstag aus ihrer Wildnis hervor und befand sich bald in der sonnigen Ebene.
Da gewahrte sie zu ihren Füssen winzig kleine Wesen, die sich hin- und herbewegten. Es war ein Bauersmann mit seiner Tochter, der ein Rösslein vor einem Pfluge hertrieb. Das kann der Riesin wunderbar vor. Sie bückte sich zu Boden, um sich die Dinger näher zu betrachten In ihrem kindlichen Sinne, alles zu haben, was ihr gefiel breitete sie ihre Schürze aus und strich das zappelnde Gespann mit dem Bauern und dessen Tochter hinein. Mit einigen Schritten war sie wieder in dem Schlosse trat in des Vaters Gemach und leerte den Inhalt der Schürze auf den grossen Tisch aus.
«Sieh, Vater», rief sie jubelnd, «was ich mir da unten für ein hübsch lebendig Spielzeug geholt habe!»
Der Vater zog die Stirne kraus, hob den Finger auf und sagte: «Töricht Mägdlein, schnell trage mir den kleinen Mann und seine Tochter samt Pflug und Rösslein wieder zur Arbeit hin. Der Bauer ist kein Spielzeug! Und wisse, wir Riesen wären in unseren Schlössern übel daran, wenn diese kleinen Wesen uns nicht mit Geld und Brot versehen würden.«
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch