Um die Jahrhundertwende erzählte man in unserer Gemeinde die folgende Weihnachtssage: Es war vor vielen hundert Jahren in den Tagen vor Weihnachten. Unter der hölzernen Aarebrücke in Olten fuhr ein Floss durch. Kräftige Männer steuerten mit starken Armen das Fahrzeug, welches eine wertvolle Ladung trug. Sie bestand in edelgeformten Glocken von gutem Klang. Diese sollten noch auf Weihnachten in einem Dörfchen im Aaretal in den Kirchturm gehängt werden, um die Gläubigen zur Christmette zu rufen. An manchen gefährlichen Stellen waren die Flösser glücklich vorbeigekommen; aber im Rank unten lauerte auf sie das Unheil. Die Aare führte viel Wasser. Wild drehten sich die Wasserwirbel in der Wog. Verzweifelt wehrten sich die Männer, um nicht ans jenseitige Ufer getrieben zu werden. Aber die heimtückischen Fluten rissen das Floss mit. Wuchtig prallte es an die schweren Ufersteine und neigte sich zur Seite, so dass die Glocken mit den Männern über Bord fielen. Da läutete das Vieruhrglöcklein von Winznau herüber. Es war das Totengeläute für Mann und Ladung.
Wer aber in der heiligen Christnacht an der Rankwog vorübergeht, vernimmt aus den Tiefen des Wassers das Klingen der versunkenen Glocken. Sie läuten mit all den andern Kirchenglocken, wenn diese zu Weihnachten die Geburt des Heilandes verkünden.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch