Vor langer Zeit mag es gewesen sein, da schlich sich ein böser Schelm in die Kirche von Stüsslingen, erbrach das Altarkästchen und raubte daraus den goldenen Kelch. Eiligst machte er sich davon, und auf dass er so schnell als möglich und unbeobachtet dem Land entkäme, wählte er den wenig begangenen Bergweg über die Schafmatt. Als er aber noch nicht gar weit gekommen war, zur Teufmatt nämlich, wo der Weg zu steigen beginnt, wurde der Kelch unter seinem Kittel schwer und immer schwerer, so dass er ihn nicht weiter zu tragen vermochte. Grosse Angst übernahm ihn deswegen, und in der Verwirrung warf er da den goldenen Kelch unter das Bachbrücklein und konnte so entkommen. Der Raub in der Kirche wurde entdeckt, aber niemand kannte den Schelm oder wusste zu sagen, wo der Kelch sich befand. Er lag unterm Brücklein in der Teufmatt, auf ewig verloren, hätte man gedacht. Wirklich regte sich vorerst nirgends ein Deut; nach einer Zeit aber geschah folgendes: Sobald jemand im Vorüberschreiten das Brücklein in der Teufmatt betrat, klopfte es von unten herauf an den Brückenboden wie mit einem knöchernen Finger, worüber die Leute sehr erschraken und im Dorfe herumboten, ein böser Geist habe sich beim Teufmattbrücklein niedergelassen und gebe durch sein Klopfen zu verstehen, dass er erlöst werden möchte. Das Brücklein wurde gemieden, das Klopfen aber verschwand nicht. Da kam einmal ein Fremder ins Dorf, der sich mehr getraute als andere Leute. Kaum hatte er von dem sonderbaren Klopfen beim Brücklein gehört, sagte er, ihm fürchte nicht vor Tod und Teufel, er wolle es wagen, ging hin nach der Teufmatt, stieg in den Bach und unters Brücklein hinab, und was er fand, das war der goldene Kelch. Nun war es allen offenbar, kein Geist, sondern der Kelch selber hatte sich durch sein Pochen bekannt geben wollen, und darüber herrschte grosse Freude im Dorfe. Er wurde der Kirche zurück gegeben; die dankbare Gemeinde aber errichtete zur Erinnerung an dieses merkwürdige Geschehen ein Kreuz bei der Teufmattbrücke, das heute noch steht.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch