Die beiden Wartburgen liegen auf zwei ganz benachbarten Bergspitzen in der Nähe von Olten. Das eine noch wohlerhaltene Schloss wird Sälischlössli, das andere gänzlich zerstörte die Wartburg genannt. Sie gehörten zwei Brüdern, die beide um eine Schwesterstochter freiten. Sie hiess Berta und da sie dem jüngeren der zwei Ritter ihre Hand reichte, hatte der Vater dem jungen Paare auf dem gegenüberliegenden Hügel das neue Schloss bauen lassen.
Als die beiden Eheleute eines Tages draussen auf der Brüstung sassen, erschien der ältere Bruder jenseits auf seiner Burg, stellte eine Scheibe auf die Mauer und rief dem Gemahle Bertas zu, er solle ein gleiches tun, um ein gemeinsames Wettschiessen abzuhalten. Der Wunsch wurde befolgt und bald flogen die Pfeile beider Schützen herüber und hinüber ins Schwarze. «Jetzt gilts den Meisterschuss», rief zuletzt der Ältere: «Stelle mir aber deine Scheibe besser ins Licht». Ahnungslos befolgte der Bruder den Rat. Im selben Augenblicke aber kam von jenseits ein Pfeil und stak statt in der Scheibe mitten im Herzen des Jüngeren. Da ergriff Berta die Armbrust ihres sterbenden Gatten, zielte, und ehe noch der drüben die Mauer verlassen konnte, lag auch er in seinem Blute da. Dann eilte sie in ihr Schloss hinein, zündete es an und liess sich unter den Trümmern begraben.
Die Leute des nahegelegenen Dörfleins Oftringen wollen sie jetzt noch auf dem Felsen oben erblicken, wie sie weinend über der Leiche eines Mannes sitzt. Wenn es ein Landesunglück geben soll, so sieht man droben zwei feurige Männer so lange mit Schwertern fechten, bis einer verschwunden ist oder der Tag anbricht.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch