Vor der Wasserjungfrau bei Kappel, die an schönen Maiabenden bei der Weide am Wasser stehe, warnte man alle jungen Burschen.
Nahe bei der Brücke wohnte damals einer, der schönes, flachsblondes Haar hatte. Eines Abends wusch er das Haar und seine flachsblonden Haare schwammen durch den Schüttstein in den Bach. Als die Wasserjungfrau das goldblonde Haar sah, wurde sie ganz närrisch und lauerte dem Burschen auf. Von ihrem Anblick wurde der Bursche fiebrig und krank. Einmal, als er zur Hägendorfer Chilbi über die Brücke ging, schlang sie seine Arme um ihn und zog ihn in die Tiefe des Wassers.
Von da an lebte er mit ihr im Wasserschloss, und fast jedes Jahr kam ein Kind zur Welt. Doch hat der Bursche nie vergessen, woher er gekommen war. Er wusste, dass Wasserjungfrauen zu Weihnacht an die Mitternachtsmesse nach Hägendorf gehen mussten. Die Gelegenheit benutzte er, um zu entfliehen. Er tauchte aus dem Fluss empor und kam nach Hause zurück. Seine Mutter wollte ihn nicht mehr fortlassen. Doch in der folgenden Nacht hörte der Bursche vom Ufer her die Stimme der Wasserjungfrau, die nach ihm rief. Und in der folgenden Nacht wieder. In der dritten Nacht brachte die Wasserjungfrau die Kinder mit, und die schrien, dass Gott erbarm. Da trieb es ihn mit unwiderstehlicher Macht hinaus auf die Brücke. Am anderen Morgen fand man den Burschen tot.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch