Glaub's oder glaub's nicht, pflegte meine Grossmutter zu sagen. Im Born drüben, sagte sie, liegt ein Goldbrunnen. Am Morgen und am Abend sieht man dort drüben deswegen goldene Wolken stehen.
Vor Jahren wohnte drüben in Kappel ein böser Graf. Der fing sich eines Tages einen Zwerg, und der musste ihm jeden Tag eine Schüssel voll Gold aus dem Berg bringen. So wurde der Graf steinreich und konnte eine Königstochter heiraten. Der Zwerg aber wurde arm wie eine Kirchenmaus. Bevor der Graf das Land verliess, um König zu werden, befahl er dem Zwerg mitzukommen und ihm für die Hochzeit einen goldenen Krug zu machen als Hochzeitsgeschenk. Der Zwerg klagte, er habe nur noch ein kleines Häufchen Gold, aber auch das wollte der Graf noch haben. Und so machte der Zwerg einen goldenen Krug. Aber er hasste den Grafen. Als die Hochzeit vorbei war, forderte der König noch mehr Gold vom Zwerg, doch dieser beteuerte, er habe kein Körnchen mehr. Da nahm der König den Zwerg bei den Ohren und schüttelte ihn, dass Gott erbarm. Von diesem Tag an war der Zwerg verschwunden für immer. Als der König starb und die Königin auch, wurde der Sohn König. Und da verlangten die Leute, dass er heirate. Sie brachten ihm jeden Tag ein Mädchen aufs Schloss, doch keine wollte ihm gefallen. Da gab ihm einer den Rat, er solle selbst auf die Suche gehen. Im Gäu gäbe es die schönsten Mädchen weit und breit. Als er über den Born ritt, stand dort der Zwerg und verwandelte ihn in einen Frosch. Bei einer Eiche hat er dann den Frosch vergraben. Nur am Morgen früh und am Abend kriecht der Frosch halb aus der Erde. Jedes Mal, wenn der Frosch hervorkriecht, setzt Rieselregen ein. Die Leute sagen dann: «Der Goldbrunnen läuft!»
Man kann den Frosch erlösen, wenn ein Mädchen den Mut hat, ihn dreimal auf das nasse Maul zu küssen. Dann wird das Mädchen Königin. Aber bis heute hat es noch keine gewagt.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch