Die Husi von Wangen sind einst grosse und starke Leute gewesen. Vor etwa zweihundert Jahren hatte der grosse Husi einen Sohn, der ging schon jung zum Preussenkönig, der immer grosse Soldaten gesucht und dafür auch ein grosses Handgeld gezahlt hat. Aber man hat nie mehr etwas von ihm gehört. Später ging im Gäu das Gerücht, der Preussenkönig käme ins Welschland Trauben essen und mache in Solothurn ein paar Tage Rast. Da beschloss der grosse Husi nach Solothurn zu gehen und den König zu fragen, wie es seinem Sohn unter den Waffen gehe. Wie er in die Stadt kommt, war gerade der Gottesdienst aus, und der Schultheiss und der Rat begleiteten den Preussenkönig von St. Ursen in den Gasthof Krone zurück. Der grosse Husi drängte sich durch das gaffende Volk und ging gerade auf den König zu. Da packten ihn Soldaten am Kittel und sagten: «He Bauer, so geht das nicht!» Beim Essen fragte der Preussenkönig den Schultheiss, was da auf dem Kirchweg für ein Tumult gewesen sei. Und der Schultheiss erzählt's. Da liess der König den Bauern herholen, und bald darauf trat der grosse Husi mit seinen schweren Schuhen in den Saal. Da fragte ihn der König «Was gibt's, guter Mann?» Da sagte der Bauer: «Ich wollte von Euch nur erfahren, ob Ihr mit meinem Sohn, der vor Jahren unter das preussische Kriegsvolk getreten ist, zufrieden seid.» Da fragte ihn der König nach dem Namen und ob sein Sohn auch so gross sei wie der Vater. Und der Bauer gab Auskunft. Da sagte der König: «Ja, der Soldat ist mir bekannt. Er hat sich in mancher Schlacht ausgezeichnet und dafür einen Orden erhalten, wie es recht und billig ist.»
Da meinte der Bauer: «Dann bin ich zufrieden. Ich hab schon geglaubt, er vertue seine Zeit mit Knöpfe putzen. Er soll nur ab und zu Pulver schmecken, das tut ihm gut. Und wenn Ihr ihn wieder einmal seht, dann lasst ihn von mir grüssen und ihm sagen, ich sei zufrieden mit ihm.» Und damit wollte sich der Bauer verabschieden. Doch der Preussenkönig liess den Bauern nicht gehen und sagte: «Guter Mann, jetzt müsst Ihr noch ein Glas Wein mit mir trinken.» Und er hiess ihn neben sich Platz nehmen und liess ihm einen Becher voll guten Weines einschenken. Und der König sprach mit ihm, wie der Husi mit einem gemeinen Bauer auf der Ofenbank gesprochen hätte. Zum Abschied gab der Preussenkönig dem grossen Husi das silberne Besteck und den vergoldeten Becher zum Andenken.
Der grosse Husi kehrte stolz mit dem Besteck und dem Becher nach Wangen zurück. Ein Menschenalter blieb das Geschenk des Königs im Besitz der Familie, bis ein grosses Unglück die Nachkommen zwang, Besteck und Becher zu verkaufen. Doch kam das Geschenk des Königs nicht aus der Verwandtschaft; denn der reiche Husiwirt zu Wangen hat es gekauft, und dort ist es wieder zu Ehren gekommen. Wenn immer eine Hochzeit angefahren kam, trat der Wirt mit dem Becher auf den Platz, und zuerst musste der Hochzeiter einen Schluck daraus nehmen und dann die Braut. Und so konnte sich mancher Gäuerbursche und manches Gäuermädchen rühmen: «Auch ich habe schon aus dem goldenen Becher des Königs getrunken!»
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch