Einst lebte auf einem Bauernhof ein Knecht. Es war der gröbste und hässlichste Kalberknecht von Wangen bis ins Welschland hinein. Er schlug im Stall aus Zorn das schönste Vieh blutig und behauptete dann, der Stall sei verhext. Als er dann starb, musste er als zündrotes, wildes Kalb durch die Gegend jagen. Doch war's keinrichtiges Kalb. Zwar hatte es einen Kalbskopf, doch der Hinterleib und die Beine waren Menschenbeine.
Drum raubte das zündrote Kalb den Bauern Körbe mit Esswaren, die sie am Rand des Ackers hingestellt hatten, oder den Märitkram von den Wagen, die vom Oltner Markt nach Hause fuhren.
Doch auf einmal wollte man das zündrote Kalb ganz abgemagert gesehen haben, das auf seinen Menschenbeinen von einem Hügel zum anderen hüpfte. Aus seinem Euter floss Eiter, der einmal mitten in Wangen zur Erde tropfte. Mit dem Eitergestank steckte es alle Tiere im Dorf an. Ein grosses Viehsterben setzte ein, und bald hatte die Seuche das ganze Gäu ergriffen. Da zog man einen, der es wissen musste, zu Rate und der sagte, man müsse das zündrote Kalb melken, bis aller Eiter ausgeflossen sei. Auch wusste man ein paar Wunderstiefel, mit dem man dem Tier nachsteigen könne. Als man das Los zog, traf es den Rickenbacher Müller, einen alten, wackeligen Mann.
Der Husigross aus Wangen hatte einen unerschrockenen Sohn, der war bereit, an Stelle des Rickenbacher Müllers das zündrote gespenstische Kalb zu melken. Er zog die Wunderstiefel an und fuhr damit in die Lüfte, dem gespenstischen Kalb nach. Als er es eingeholt hatte, begann der Bursche es zu melken. Siebenmal musste der Bursche dem Kalb nachsteigen und es melken. Zuletzt fiel das zündrote Kalb um und war tot. Auf dem Rücken trieb es den Bach herab in die Dünnern und wurde aus dem Land geschwemmt. Deshalb heisst heute jenes Dorf am Bach Rüggenbach oder Rickenbach.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch