In früheren Zeiten traten in den Jurawaldungen die wilden Tiere recht zahlreich auf. Im Dickicht des Waldes fühlten sie sich geborgen. Ein Bär verursachte zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Berggäu besonders schwere Verluste unter den weidenden Herden. Auf den sechzehnten Tag des Christmonats 1737 wurden vom Vogt auf Bechburg, Franz Viktor Josef Buch, die
Amtsangehörigen der Gemeinde Wangen zur Treibjagd gegen den Bären im Santel aufgeboten. Das Aufgebot erging zudem noch an bestimmte Bauern der Gemeinden Rickenbach, Hägendorf, Kappel, Neuendorf, Härkingen, Buchsiten und Egerkingen. Die Bauern und Tauner von Wangen fanden sich vollzählig ein. Zu ihnen gesellten sich der nichtjagdpflichtige Kilchherr von Wangen und der grösste Teil der Knabenschaft der Gemeinde. Zur Stunde des Abmarsches beim Wachthaus, dort wo das westliche Ester des Dorfes die Strasse abschrankte, waren mit von der Partie: der Auernsepp, der Zacherkarli, der rote Durs, die beiden Wachtmeister, der Ödis und der Kieferjoggel, der Lehne- und der Klingechrist, der Sattler Urs Gütsch und sein Bruder, der Längmeyelisepp, der Bolzenhans, Hans Ueli Frey, der wie sein Grossvater Felix sel. die andern um einen Kopf überragte. Wirtshansadams Seppli, des Gerichts, übernahm das Kommando. Die Knabenschaft war mit Stöcken versehen, die Erwachsenen trugen Spiesse. Auf der Ringrütti oberhalb Hägendorf erwartete sie bereits die Jägergruppe aus den verschiedenen Gäugemeinden. Es ging dem Niederwald zu, also in den Wald der Sägerei von Wangen. Dort teilte man sich in verschiedene Einzelgruppen auf. Mit schreienden Knaben voran ging es in südwestlicher Richtung. Nur Hans Ueli Frey, der jedes Dickicht seines Waldes kannte, ging als Alleingänger. Mit seinen 31 Jahren, stark und gross gewachsen, hatte er sich nicht zu fürchten. Schon eine Stunde später stiess er auf das Tier. Der Bär vergnügte sich an einem zerrissenen Schaf. Er öffnete seinen Rachen, als er Hans Ueli auf sich zukommen sah. Dieser stiess blitzschnell mit seinem Spiess gegen den Bären, um ihm einen tödlichen Stich zu versetzen. Doch das Tier schlug ihm mit seiner Pranke die Waffe aus der Hand. Es kam zu einem heftigen Zweikampf. Das riesenhafte Tier umarmte ihn und brachte ihm am Gesäss eine klaffende Bisswunde bei. Hans Ueli wehrte sich verzweifelt. Seine kräftige Gestalt kam ihm nun zugute, und schliesslich zwang er den Bären zu Boden. Dann schrie Hans Ueli Frey um Hilfe. Beide kollerten den Hang hinunter in Richtung Bänisgrund. Die Dorfgenossen eilten herbei. Der Bär verblutete schliesslich unter den vielen Stichen der Spiesse: Der letzte Bär im Gäu war erlegt.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch