Es wird erzählt, in alter, grauer Zeit hätten die Leute von Lüsslingen die Kirche von Oberdorf besucht. Auf einem Steg hätte man die Aare überschritten und sei über Bellach durch das Geissloch hinauf gegen Oberdorf gewandert. Noch heute heisse jener Weg der Lüssliger Chilchwäg. Als dann die Lüsslinger eine eigene Kirche erhalten hätten, sei ihnen von den Oberdörfern eine Glocke geschenkt worden. Es sei die alte Glocke, die immer noch im Kirchturm hänge. Sie trägt die Jahrzahl 1520 und die Inschrift: O rex glorie criste veni nobis cum pace.
Eigenartig muss es zugegangen sein, als die Lüsslinger eine eigene Kirche bauen wollten. Als Platz hatte man die Ebene auf der Hohfuren ausersehen, von wo aus man so schön über das Aaretal hinweg an den Jura hinüber sieht. Dieser Platz wäre auch den Besuchern des Gottesdienstes aus Lüterkofen und Ichertswil nicht allzu entfernt gewesen. Schon hatte man Steine und Balken herbeigeführt und den Platz abgesteckt, auf dem die Kirche erbaut werden sollte. Über Nacht wurden aber die Baumaterialien von unbekannter Hand weggeführt auf einen Platz zwischen den Dörfern Nennigkofen und Lüsslingen. Wieder schaffte man alles an den vorher bestimmten Ort, doch am folgenden Morgen lag alles wieder dort, wo man es hergeholt hatte. Auch ein drittes Mal geschah das Unerklärliche. Da sah man endlich in diesem Geschehen das Walten eines höheren Willens, und nun wurde das Gebäude an dem so bezeichneten Platz errichtet, dort, wo sich heute die Kirche erhebt.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch