Einen Karfunkel, der da glänzt wie die Sonne und rarer ist als Gold, hat einst der Pörtermelk im Mühlebach zu Giswil gesehen. Es war im Winter, Melk hirtete in der Buchenegg als zwei Kameraden, der Rothbalzi und der Mamelk, kamen und ihn aufforderten, mit ihnen nach Hirten z' Boden zu kommen, denn es könnte da und dort noch etwas gehen. Unser Melk, nicht faul wo es lustig herging, willigte ein und machte sich nach gethaner Arbeit auf den Weg. Stockfinstere Nacht war's, als sie durch die Berggüter hinunter gingen. Als sie beim obern Steg angelangt waren, da wo man auf die Schwand kommt, sahen alle drei einen herrlich glänzenden Stein in der Grösse eines währschaften Viertelkäses mitten im Bache liegen. Das Wasser lief darüber weg aber dessen ungeachtet erhellte er die finstere Stätte derart, dass man am Haselgebüsch die Knöpfe hätte zählen können. Entzückt von diesem Schimmer und Glanze standen sie noch lange bis sie einig wurden, ihren nächtlichen Spaziergang fortzusetzen und dann auf dem Heimweg den kuriosen Stein mitzunehmen. Sie liessen es sich lustig sein diese Nacht, da und dort gab's eine Klopfete, bis sie nach Mitternacht ihren Heimweg antraten. Natürlich vergassen sie den Stein nicht, aber er war nicht mehr zu finden; bachauf und bachab wanderten sie bis es heller Tag war und die Leute verwundert nach ihnen sahen, allein von dem rätselhaften Stein war keine Spur mehr zu finden.
Bald darauf gingen alle drei zum hochgelehrten Pfarrer Dillier und klagten ihm ihr Abenteuer. Der Pfarrer schlug die Hände über dem Kopf zusammen und jammerte: „O, ihr dummen Burschen, dass Euch das Nachtschwärmen lieber war als der Besitz dieses Steines, dieses seltenen Karfunkels, der einen grössern Wert besässe als die ganze Gemeinde Giswil!“ Die drei Augenzeugen konnten den dummen Streich natürlich nicht mehr ungeschehen machen, aber bittere Reue quälte sie ihr Leben lang.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch