Dass der Farnsamen an St. Johannistag um Mitternacht blüht, reift und verstiebt, wusste man schon in uralten Zeiten. Auch davon vermelden alte Chroniken, dass derjenige, dem es gelingt, etwas von dem verstiebenden Samen zu erhaschen, zeitlebens reich und glücklich ist.
Im Studenmattli in Giswil wohnte ein armes Mandli mit Frau und vielen Kindern, der kaum den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten vermochte. Dieses Mandli nun kam auf den Gedanken, sich Farnsamen zu verschaffen. Am Tage vor St. Johannis hatte er sich den Platz ausersehen, wo er nachts zu Werke gehen wolle. Es war im Grüth am Abhange ob dem Zimmerplatz. Er orientierte sich genau über alles Notwendige zur herzhaften Tat. Zum Auffassen bedurfte er drei nagelneue kupferne Geschirre; zur Aufbewahrung des segenbringenden Samens bedurfte er eine Feder von einem Hahn, der aus einem Charfreitagsei ausgebrütet worden ; den Federkiel musste er ein wenig beschneiden, den aufgefangenen Samen in dieselbe hineinfliessen lassen und dann die Oeffnung mit Wachs von einer Osterkerze verkleben. Der so gefüllte Kiel sollte ihm Glück und Segen bringen, sofern er ihn stets bei sich tragen würde.
Als er so alles vorbereitet hatte, machte er sich nachts zehn Uhr auf den Weg zu seinem Glücke. Es war eine prächtige, glanzhelle Sommernacht, die Sterne funkelten so rein und winkten so hold, als wollten sie alle dem Glücksjäger zunicken und gratulieren. Im Grüth angekommen musste unser „Mandli noch einige Zeit warten bis die glückliche Stunde kam. Kaum hatte er sich dem Gedanken hingegeben, welch prächtige Johannisnacht ihn umfange, trieben auch schon wetterschwere Wolken hinter dem Giswilerstock hervor, die nach und nach den funkelnden Himmel unheilverheissend verdüsterten. Bald krachte furchtbarer Donner und zuckten fahlleuchtende Blitze, die durch die rabenschwarze Nacht irrten. Jetzt war die Stunde gekommen! Furchtbar krachte es durch die Nacht, mächtige Felsblöcke lösten sich am Abhange los und polterten wuchtig an unserem Mandli vorbei. Der Samen blühte, reifte und verstob; unser Mandli haschte zitternd und bebend vor Angst nach dem verstiebenden Samen, da löste sich mächtig mit Donnergetös ein Felsblock los, der sich stürzend auf ihn zuwälzte; mit einem Sprunge seitwärts rettete er das Leben. Die glückliche Stunde war vorbei. Traurig und doch froh, dass er wenigstens das Leben retten konnte, begab er sich nach Hause. Wie er nun eine Strecke weit gegangen, erhob er das Haupt um zu sehen, ob sich das Wetter bald verziehen wolle, da sah er zum grössten Erstaunen, dass es glanzhelle Nacht war. Daheim erzählte er das Erlebnis in allem Vertrauen seiner Frau, die von dem Unwetter nicht das Wenigste gehört zu haben versicherte. Da erst merkte unser Glücksjäger, dass ihn der Teufel verblendet hatte.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch