Am südlichen Fusse des Bürgenberges bei der St. Antoniuskapelle, einige hundert Schritte auswärts vom See angerechnet, befindet sich an einer haldigen Wiese eine kleine Höhle, von zerklüfteten Kalksteinen gebildet. Diese Höhle teilt sich in Gänge von verschiedenen Richtungen, die aber wegen ihrer Engheit dem Besuchenden unzugänglich sind. In einer der Vertiefungen erblickt man, wenn man den dunkeln Raum mit einer Fackel erleuchtet, im Hintergrunde Wasser, in welchem man bisweilen das Geräusch von schweren unterirdischen Wassertropfen vernimmt, oder ein Brausen gleich unterirdischen Luftströmungen. Dass diese unheimliche Erscheinung zu allerlei Vermutungen Anlass geben musste, ist natürlich. Mehr aber musste noch auffallen, dass das Wasser im Hintergrunde der Höhle plötzlich anwächst und brausend und schäumend den Bauch des Berges verlässt, um in einem selbstgegrabenen Bette sich dem See zuzuwälzen. Diese Strömung dauert sehr ungleich, oft eine Viertelstunde, oft Stunden lang und oft noch länger. Wenn sie aufhört, so geschieht es in kurzer Zeit, das Bachbett wird wieder ganz trocken, um auf's neue wieder von den Wellen bespült zu werden, Diese Ergüsse, die sich durch ein dumpfes Brausen ankündigen, sind keineswegs regelmässig, sie hangen unzertrennlich mit der Menge der wässerigen Niederschläge der Atmosphäre zusammen. Von dieser periodischen Quelle, oder von dem „Friedhöfler", wie sie die Leute nennen, geht nun die Sage, dass wer am Eingange der Höhle stehe, das Wasser herausfordere und nicht an die Macht des Berggeistes glaube, der soll seinen Fluten nicht entrinnen können, sie würden ihn unfehlbar im See begraben.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch