Eine Stunde von Solothurn entfernt steht im Amte Läbern das Dort Oberdorf am Fusse des Weissensteins und an einem Bache, der bei Regengüssen und Schneeschmelzen wild und schäumend vom Weissenstein herabstürzt und den Ort durchtobt. Die ansehnliche Kirche mit ihrem schlanken, kupferbedeckten Turme erhebt sich auf einer Anhöhe und ist als eine Wallfahrtskirche seit uralten Zeiten bekannt.
Über den Ursprung dieser Kirche weiss man bloss, dass, nachdem man das zum Bau der Kirche notwendige Material, nämlich Holz und Steine, auf einen Hügel, der von der jetzigen Kirche einen Steinwurf weit entlegen ist, geführt hatte, dasselbe am folgenden Tage an dem Orte, wo jetzt die Kirche steht, gelegen sei. Da nun dies wiederholt geschehen, habe man es für ein sicheres himmlisches Zeichen gehalten, dass die Kirche hier erbaut werden sollte, was denn auch geschah. Sie wurde zu Ehren der jungfräulichen Mutter und des Erlösers erbaut; darauf sammelten sich die umliegenden Gläubigen, um die gnadenreiche Mutter zu verehren und in ihren Anliegen anzurufen.
Schon lange ging man mit dem Gedanken um, das Gotteshaus zu einer Pfarrkirche zu erheben; die Kirche war nämlich zu klein und dazu baufällig. Im Frühling des Jahres 1600 brachen die Oberdörfer die alte Kirche ab und legten den Grundstein zu der jetzigen, schönen, grossen Kirche und Kapelle. Den 23. Brachmonat 1608 erhielten sie den ersten Pfarrer in der Person des Johann Fempel von Riedlingen, den der Stiftspropst von Solothurn bestätigte, weil dieser seit uralter Zeit die Seelsorge der Kapelle zu Oberdorf besorgte. Johann VII. von Wattenwil, Bischof von Lausanne, weihte sie 1616 ein.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch