Auf der Wandfluh über Grenchen und Bettlach hatten sich vor mehr als zweihundert Jahren einige Holzer zu gemeinsamer Arbeit zusammengefunden. Gegen Abend stiegen sie zur Nachtruhe in die untere Sennhütte ab, nur einer wollte noch sein Tagewerk vollenden und hieb mit seiner Axt auf eine Tanne ein, die hart am Abgrund stand. Plötzlich hörte er hinter sich ein lautes Brummen, und wie er sich umschaute, kam ein gewaltiger Bär hochaufgerichtet auf ihn zu. Der Holzer verlor seine Geistesgegenwart nicht, sondern schlug mit seiner Axt auf den Bären los und verletzte ihn schwer, aber nicht tödlich an der Brust. Bevor er zu einem zweiten Schlag ausholen konnte, hatte ihn das Untier schon umfasst und grub seine Krallen tief in sein Fleisch. Der kräftige Mann presste seinen Kopf so eng wie möglich an den Bären, damit dieser von seinem Gebiss keinen Gebrauch machen könnte, und wehrte sich gegen die tödliche Umklammerung.
Das Ringen dauerte nicht lange, obschon es ihn endlos dünkte. Plötzlich aber wich der feste Grund unter ihnen, und sie stürzten über die senkrechte Wand hinunter. Der Bär kam beim Fallen unten zu liegen, weil er der Schwerere war. Bevor sie den Boden erreichten, stürzten sie auf eine Tanne, die den harten Fall etwas linderte. Dann aber blieb der Bär zerschmettert auf einem Felsblock liegen, der Mann bewusstlos auf ihm. Als er wieder erwachte, war es finstere Nacht, ihn fror, aber er vermochte sich nicht zu rühren, weil er ein Bein gebrochen hatte. Es verging ihm eine Ewigkeit, bis der Morgen graute und seine Kameraden von der Sennhütte wieder aufstiegen. Da rief er, so laut er vermochte, um Hilfe. Sie vermuteten sogleich etwas Schlimmes, aber ihr Erstaunen war gross, als sie ihn auf einem toten Bären liegen sahen. Sogleich bauten sie eine Tragbahre von Tannästen, bedeckten sie mit weichem Moos und trugen den Verunglückten nach Bettlach in seine Wohnung. Dank der sorgsamen Pflege und guter chirurgischer Behandlung wurde er in kurzer Zeit wiederhergestellt, nur sein gebrochenes Bein musste ihm abgenommen werden.
Nach diesem Vorfall lebte er noch viele Jahre, er sass meistens mit irgendeiner Handarbeit vor seinem Hause und erzählte jedem Wanderer, der stehen blieb, seinen Kampf mit dem Bären.
Quelle: P. Keckeis, M. Kully, Sagen der Schweiz. Solothurn, Zürich 1987. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch