Der Vater, der seine Tochter heiraten wollte

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Es waren ein Mann und eine Frau, die hatten eine Tochter. Die Frau wurde krank, und es ging ans Sterben. Bevor es so weit war, sagte sie noch zu ihrem Mann: «Wenn du nochmals heiraten willst, so heirate eine, der mein Ring passt.» Dann starb sie. Die Tochter räumte einige Jahre danach auf, oder sie stöberte in einer Truhe; dabei kam ihr ein Kästchen in die Hände. Sie hob den Deckel auf, und es lag ein Ring darin. Sie probierte ihn, und der sass gerade richtig. Als der Vater das sah, begann er zu überlegen. Seine Frau hatte gesagt, er solle eine heiraten, welcher der Ring passe. Der Vater hatte gesehen, dass der Ring am Finger der Tochter passte. Also sagte er zur Tochter: «Wir zwei wollen heiraten, die Mutter hat das und das gesagt.» Die Tochter erwiderte: «Das kann ich nicht tun.» Doch der Vater forderte und forderte, dass sie ihn heiraten müsse. Das Mädchen freilich dachte: «Wart du nur, das will ich dir schon austreiben», und sie kam auf den Gedanken, von ihm drei Kleider zu verlangen. Eines müsse so hell scheinen wie die Sonne, das andere wie der Mond und das dritte wie die Sterne; und dazu noch ein Paar goldene Pantoffeln. Und der Vater ging zum Schneider und sagte, er solle Kleider in der und der Art machen, eines so hell wie die Sonne, das andere wie der Mond, das dritte wie die Sterne, und ein Paar goldene Pantoffeln dazu. Und es gelang dem Vater, alles wie gewünscht machen zu lassen. Da sagte die Tochter, sie wolle noch ein Spinnrad, das von selbst spinne, und einen sprechenden Rocken. Sie dachte, hier müsse der Vater klein beigeben, doch es gelang ihm, auch das zu beschaffen.

Da merkte sie, dass alles nichts nützte, und sie kam auf den Gedanken zu fliehen. - Eines Abends, als sie gegessen hatten und es einnachtete, stellte sie das Spinnrad und den Rocken hinter den Tisch und sagte zum Vater, sie wolle heute spinnen und ausprobieren, wie es gehe, und ein wenig dem Rocken Gesellschaft leisten. Und am Tag hatte sie ihre drei Kleider und die Pantoffeln in einen Sack gelegt und den in der Küche versteckt. Der Vater wollte nun zu Bett gehen, und sie erwiderte, sie bleibe noch ein wenig beim Rocken, er solle nur schon gehen.

Und als er im Bett war, sagte sie zum Rocken: «Jetzt, wenn er ruft, so sage: », und sie nahm den Sack mit den Kleidern, ging hinaus und floh.

Allmählich kam sie in einen Wald, zu einer Einsiedelei, als es schon ziemlich spät in der Nacht war. Und sie trat in diese Hütte und fragte den Mann dort, ob sie nicht ein wenig ausruhen könne. Der gute Alte sagte ja, sie solle hier nur eine Weile bleiben, und er fragte, wohin sie wolle. Da antwortete sie, sie möchte irgendwo als Magd arbeiten, und der Mann entgegnete, er habe erfahren, dass die Magd des Königs gerade weg sei, und die würden eine suchen. Dann erklärte er ihr den Weg, sie solle in der Stadt bis zu dem und dem Haus hinaufgehen, wo die wohnten. Sie verabschiedete sich und kam zu diesem Haus, wie der Alte es ihr gesagt hatte, und fragte die Meisterin, ob sie nicht eine Magd benötigten; sie möchte als Magd bei ihnen dienen. Die Meisterin antwortete, ja, sie suchten eine Magd, aber die müsse sich in der Küche ums Feuer kümmern und die Schweine füttern und dergleichen. Ja, das sei schon recht, wenn es nur Arbeit sei, sagte sie und handelte den Lohn aus. Sie trug dann nur ein Kleid, wie man es so zum Arbeiten anzieht; da begann man, ihr zu sagen. Sie verrichtete weiterhin ihre Arbeit, und die Dienstherrin war damit zufrieden.

Und langsam ging es dann gegen Neujahr zu. Es gab an diesem Ort einen schönen, grossen Burschen, und der hatte noch einen Kameraden, und sie beschlossen, einen Ball zu veranstalten. Dann kam der Abend, und sie sorgten für die Musikanten, und sie war noch in der Küche. Als alle Speisen gewürzt waren, so dachte sie, wolle sie auch schauen, wie sie tanzten. Sie nahm das Sternenkleid hervor, zog es an, wusch und kämmte sich; und sie ging auch in den Saal hinauf mit dem schönen Kleid an - ein schönes Mädchen war es. Und der junge Herr sah sie und fragte sogleich, ob sie mit ihm tanzen wolle; und sie sagte ja und begann zu tanzen. Da sie damals auch eine Uhr hatte, tanzten sie zusammen, bis sie meinte, die Meisterin würde bald aufstehen. Jetzt sagte sie gleich zum Burschen, sie müsse hinausgehen, aber sie komme bald zurück. Und er liess sie gehen, und sie hinaus und ab nach Hause. Sie stieg in ihre Kammer, versteckte ihr Kleid und eilte in die Küche, um anzufeuern. Die Meisterin stand auf und kam hinunter, und das Lumpenmädchen (sie hatte eine Handvoll Asche genommen und das Gesicht damit eingestrichen) war da. - Und der andere passte ab, ob sie noch komme, doch sie kam nicht - und er seufzte tief. Unterdessen wurde es taghell, und es kam das Ende des Balles, da ging der Bursche nach Hause und erzählte seiner Mutter, es sei ein Mädchen gekommen in einem wunderschönen Kleid und habe mit ihm getanzt. Sie habe sich dann entfernt, und er wisse nicht, wohin sie gegangen sei. Und die Mutter sagte, sie wolle ihm schon einen Rat geben, wie er es anstellen solle, um sie zu kriegen, er solle nur nochmals einen Ball geben, dann werde dieses Mädchen auch wieder kommen. «Wenn du dann im Sinn hast, eine Liebschaft zu haben, so könntest du die schon heiraten, mit diesen Kleidern.» Und er machte, was seine Mutter gesagt hatte; und die Mutter gab ihm den Rat: «Nimm einen Ring mit und fang ein Gespräch an, dann gib ihr den Ring.» Er traf die Vorbereitungen, und sie gaben wieder einen Ball. Sie richtete ihr Mondkleid, und nach der Arbeit, als die anderen sich schlafen gelegt hatten und es ganz ruhig war, zog sie ihr Kleid mit dem Mondglanz und die Schuhe an und ging, - und der andere passte ab und horchte, ob sie käme. Er hatte unter der Tür gewartet und packte sie. Jetzt war er guten Mutes und dachte bei sich selbst: «Nun, heute gehst du mir nicht durch die Latten.» Sie war auch froh, sie tanzten und herzten sich, und er reichte ihr den Ring, sie nahm ihn und war ebenfalls glücklich. Als die Abschiedsstunde kam, sagte sie, sie müsse jetzt gehen. «Ich komme auch.» - «So komm.» Als sie draussen waren, sagte sie: «Ich muss dort hinter jenes Haus, ich kann dich nicht zusehen lassen, wenn ich pissen muss.» Und der andere erwiderte: «Ja, aber komm zurück», und passte ihr ab. Dann begann sie zu rennen, da war es ein wenig matschig, und ein Pantoffel fiel vom FUSS. Sie hatte keine Zeit, den Pantoffel aufzulesen; und sie rannte und kam in die Küche, bevor die Meisterin aufstand. Sie nahm eine Handvoll Asche, rieb sich damit das Gesicht und die Haare ein, zog das Kleid aus, versorgte es und machte Feuer. Unterdessen war die Alte aufgestanden, und das Lumpenmädchen war bei ihrer Arbeit. - Und der andere schaute herum, wohin sie verschwunden war, und konnte sie nicht mehr sehen. Und der Ball ging zu Ende.

Danach grübelte er tagelang vor sich hin, und es kam dazu, dass er nicht mehr essen mochte. Da wurde er krank und lag im Bett, und die Gedanken wollten nicht aufhören, und er wurde immer schwächer. Eines Tages fragte ihn die Mutter, ob er ein Küchlein essen möge. «Nun, ich will mein Möglichstes tun, doch ich weiss es nicht.» Jetzt ging die Mutter hinunter und bereitete den Teig zu, um das Küchlein zu backen und goss ihn eben ins Fett, da rief er, sie solle kommen. Da sagte die Alte: «Jetzt ruft er mich, und ich sollte gerade jetzt das Küchlein kehren.» Und das Lumpenmädchen meinte, sie wolle dies schon machen, sie solle ihr die Kelle geben. -Ob ihr Sohn dies nicht merken würde? - «Ach, was weiss der?» - Und die Alte gab ihr dann die Kelle. Das Lumpenmädchen, welches das Sonnenkleid unter seinen Lumpen angezogen hatte, nahm den Ring hervor. Es gelang ihr, den Ring in das Küchlein zu stecken, und sie wendete es. Als das Küchlein gebacken war, trug es die Mutter auf einem Teller hinauf, schob es dem Sohn hin und sagte, er solle das Küchlein essen. Die Mutter ging in die Stube, der Bursche nahm das Küchlein, brach es entzwei, und der Ring fiel auf den Teller. «Ach, schau, wo mein Ring ist, Mutter!» - «Was willst du?» -«Komm herein; wer war in der Küche unten?» - «Das Lumpenmädchen, das seine Arbeit tut, sonst niemand.» - «Geh hinunter und sag, sie soll kommen und mein Zimmer putzen.» - «Aber das Lumpenmädchen kann doch nicht heraufkommen.» - «Doch, doch, lass sie nur kommen und mein Zimmer putzen.» - Und die Alte ging. - «Er will, dass du hinaufgehst und sein Zimmer putzest.»

Und das Lumpenmädchen ging hinauf und begann, das Zimmer von hinten her zu fegen. Da sagte er: «Komm her und putze besser unter meinem Bett – jetzt gehst du mir nicht mehr durch die Latten. Ich will dir diesen Tick mit den Lumpenkleidern schon austreiben.» Dann rief er der Mutter, sie solle Wasser bringen, und dieses Kleid müsse sie ausziehen. Da wusch sie sich, und der Bursche wurde gesund - und dann hielten sie bald Hochzeit.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002 , © Ursula Brunold-Bigler

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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