In Sachseln lebte vor vielen Jahren ein alter gottesfürchtiger Sigrist. Er war durch manche Geisterscheinung und Ahnung beglückt und verkehrte mit den Mächten aus der andern Welt wie mit seinesgleichen. Nun musste er eines Tages mit dem Pfarrer zu später Nachtstunde zu einem Kranken und da sah er denn auf dem Heimwege, nahe bei seinem Hause, folgende merkwürdige Erscheinung:
Ein Geisterleichenzug ging vorüber, an dem viele Leute zugegen waren. Aber was den Sigrist erst in Erstaunen setzte, (denn solche Geisterleichenzüge waren ihm nichts ausserordentliches) das war ein älterer Mann, der auf dem Sarge sass und an einem Fusse einen blauen, am andern einen weissen Strumpf trug. Dem Sigrist kam dieses Männchen wie bekannt vor, aber doch wusste er nicht, wer es wäre und er schauderte unwillkürlich bei diesem Anblick. Der Pfarrer merkte, dass mit dem Sigrist etwas vorging und er forschte nach dem Grunde. Der alte Mann erzählte getreulich alles und meinte, wer das wohl fein könne; unter den Leidtragenden war auch der Kreuzwirt gewesen, da wisse er nicht, wer etwa dran glauben müsse. Der Pfarrer dachte sich seine Sache, sagte aber nichts und rief, als sie sich trennten, dem Sigrist ein recht wehmütiges ,,Lebewohl" nach. Letzterer ging nach Hause und wollte sich wieder zu Bette legen. Da gewahrte er auf einmal zu seinem Schrecken, dass er einen blauen und einen weissen Strumpf trage und wurde leichenblass. Nun wusste er, wie es mit ihm gehe, liess noch während der Nacht den Pfarrer holen und am Morgen lag der Sigrist tot in seinem Bette. Bei seinem Leichenbegängnisse aber war auch der Kreuzwirt anwesend.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch