Eine der schönsten Hochalpen in der Gemeinde Giswil ist unstreitig die Alp Arni, südlich vom Rothorn gelegen. Die zartesten Gräser wachsen dort. Nicht immer so edel wie die Alpenkräuter, waren einzelne Bewohner und gar oft hausten hier Älpler, welche die guten Lehren von Eltern und Seelsorger vergassen und in Aufschäumung von Jugendlust sich Sachen erlaubten, die eine augenscheinliche Strafe des Allerhöchsten herabforderten.
Vor vielen Jahren alpeten hier zwei Älpler, die, noch jung, gesund und stark, sich oft Spässe erlaubten, welche an Ausgelassenheit und Schamlosigkeit ihresgleichen suchten. — Es traf sich einst, dass mitten im Sommer ein Schwein umstand, welches Missgeschick den Eigentümer in ziemlichen Schaden brachte. Um nun zum Schaden den Spoter zu fügen, unternahmen es gedachten zwei Burschen und schleppten den Kadaver unter Vorantragung von Kreuz und Fahne bis zum Falle und stürzten ihn in die grausige Tiefe. Die andern Älpler empörten sich über diese Verspottung der Religion und stellten ihnen sicheres Unglück in Sicht. Dieses liess nicht lange auf sich warten. Noch im gleichem Jahre stürzten zwei der besten Kühe, obigen Spöttern gehörend, akurat an selbiger Stelle in die Tiefe und im gleichen Winter hat eine schreckliche Lawine die von ihnen bewohnte Hütte samt Dach und Fach über diesen Fall gestürzt. Einer von diesen übermütigen Burschen wurde bald darauf krank und musste unter entsetzlichen Schmerzen buchstäblich im Bette verfaulen.
Mitten im Sommer war's, als die Glocken von Giswil in traurig-ernstem Tone dem bussfertig Verstorbenen die letzte Ehre erwiesen, und sein einstiger Freund und Sündgenosse war eben wieder auf der Alp, und heftig ergriff es ihn und er weinte bittere Tränen als nicht nur er, sondern alle Alp- Genossen das Grabgeläute von Giswil so hell und rein vernahmen, als wären sie im Giswiler Boden, statt im sechs Stunden entfernten Arni daheim. Nie mehr hörte man ihn spötteln, er tat ehrlich Busse und gab ein gutes Beispiel allen die mit ihm verkehrten.
Und manch einer, der von Jugendkraft strotzte, nahm sich ein Beispiel daran und machte den guten Vorsatz, religiöse Sachen nicht zu verhöhnen, da diese den Spott nicht vertragen. Nach Jahren noch rumorte es beim Fall.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch