Pörtermelk war soeben in sein kurz vorher gekauftes Iwi gefahren, um den Winter über seine Kühe und Rinder zu Hirten. Alter Sitte gemäss gab er jedem Haupt ein wenig gesegnetes Salz wider Teufels List und Macht. Im Häuschen machte er sich die Daster zurecht, und richtete sich so gut als möglich wohnlich ein. Lauge vorher schon hatten ihn die Leute geneckt, er werde da noch etwas auszustehen haben, denn es sei im Iwi gar grusig unghürig. Unser Melk aber, der fremdes Land und Volk gesehen, liess sich nicht einschüchtern; in seiner urchigen Natur hatte er einen wahren Eifer, ein Abenteuer zu bestehen. Als er die Kühe gehirtet und gemolken, die Milch aufgestellt und für sich ein einfaches Nachtessen bereitet hatte, legte er sich nach einem kurzen Gebet zur Ruhe. Sobald er sich aber auf die Daster hinlegte, ging die wohlverschlossene Türe auf. Melk sprang auf und wollte sehen, wer gekommen sei, vergass aber nicht, die bereitgehaltene Axt mitzunehmen. Wohl rumorte es gewaltig in Küche und Keller, jetzt aber war wieder alles still und ruhig und die Türe wieder geschlossen. Melk legte sich wieder hin, etwas unwirsch zwar, dass er aufgeschreckt worden. Kaum wollte der erste Schlummer ihn befallen, ging wieder der Spektakel, ärger als vorher, los. Voller Wut sprang Melk auf — er hörte deutlich das knisternde Feuer — und wieder war alles still. Jetzt liess unser Melk das Licht brennen und legte sich missmutig auf sein Lager. Nun ging's zum dritten Male los, aber diesmal nicht in Küche und Keller, sondern auf der Russdiele. Ein Rasseln und Poltern ertönte da, als ob der Teufel ein ganzes Regiment entsandt hätte.
Melk war wütend, dass er auf seiner eigenen Sache, die er zinsen und zahlen musste, nicht Ruhe habe. Da kam ihm ein Gedanke, der jedenfalls vielen an seiner Stelle gegruset hätte:
In der Diele, auf welcher der Lärm losging, waren die Läden ganz dürr und deshalb zwischendrin grosse Chläck vorhanden. Melk, ein gefürchteter Häggler, streckte zwei Finger zwischen einen dieser Chläcke hinauf und forderte auf, bei sich denkend, da müsse oben ein Starker sein, wenn er dem nicht Meister werde, da er ja zum vornherein das Bessere habe nidsi zu ziehen. Niemand wollte ihm aber einheuken. Zum öftern forderte er das Gespenst auf, als auf einmal ein eisigkalter Luftzug bei den emporgestreckten Fingern vorbeistrich, worauf Melk die Finger senkte und sich zur Ruhe begab.
Niemand störte ihn jetzt mehr auf der Russdiele. Aber o weh! Seine Finger und der ganze Arm schwollen unter den fürchterlichsten Schmerzen auf, bis sie aussahen wie ein Kissen. Melk konnte kein Auge schliessen, und schon in der Nacht begab er sich zu einem Nachbar und bat ihn, am Morgen sein Vieh zu besorgen. Dieser machte kuriose Augen, als er Melkens Arm sah, der doch tags zuvor gesund war, und riet ihm sofort zu Pfarrhelfer Egli zu gehen. Melk befolgte den Rat und musste vom Pfarrhelfer noch einen tüchtigen Kavelantis hören, weil er so mit einem Gespenste gespöttelt habe. Nachdem ihn der Pfarrhelfer benediziert hatte, schickte er ihn zum Guardian, der ihm Gesegnetes zum Aufbinden gab. Volle sechs Wochen ist Melk krank gewesen und viele behaupten, es sei ihm nahe ans Leben gegangen. Als er wieder beinahe geheilt war, wollte er nochmals in's Iwi, einesteils, um sein Vieh zu g'schauen, andernteils um das Gespenst zu fragen, wer besseres Recht habe, er oder es, und er äusserte dieses Vorhaben dem Pfarrhelfer. Dieser aber riet ihm ernstlich von seinem Vorhaben ab, da er dabei leicht tot bleiben könnte. Melk befolgte den Rat, verkaufte das Berggut Iwi und ist sein Lebtag nie mehr dorthin gegangen. Da das Gespenst im Iwi immer noch rumorte, entschloss sich der neue Besitzer, das Häuschen abzutragen Und an anderer Stelle ein neues zu bauen, zu dem er aber beileibe nicht einen Span vom alten verwendete, befürchtend, es möchte das Gespenst wieder in das neue Häuschen einziehen. Das neue Iwi-Häuschen blieb denn auch seither vom Gespenste verschont. Melk aber hatte sein Leben lang zwei steife Finger, mit denen er mit dem Gespenste häggeln wollte.
Aus: Franz Niederberger Sagen und Gebräuche aus Unterwalden, Sarnen 1924. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch