Vor vielen hundert Jahren wurde in Basel ein Dieb zum Tode verurteilt; der bat gar beweglich um sein Leben, so dass endlich die Richter ihm freistellten, entweder durch Henkers Hand zu sterben oder in eine übel berüchtigte tiefe Höhle unweit Basel, das Franzosenloch genannt, hinabzusteigen, um ihr Inneres zu ergründen. In diese Höhle hatte man vor alten, alten Zeiten nach einer grossen Schlacht die Leichname der erschlagenen Franzosen samt und sonders hineingeworfen, und nun spukte es immer um sie herum, so dass kein Mensch sich nachts nahe dabei sehen liess; wohl hatte es schon mancher Wagehals gewagt, und sich an Stricken in dieselbe hinabgelassen, aber keiner, der das Wagestück unternommen, war wiedergekehrt. Zwar schauderte es dem sonst verwegenen Manne ein wenig, als er dies alles vernahm; aber da galt kein langes Zaudern: er wollte doch lieber das Ungewisse wagen, als ohne weiters den Hals verlieren; und mutig setzte er sich in den Korb, der an einem lange Seile befestigt, ihn immer weiter hinuntertrug. Zuerst wurde es ganz finster, und die brennende Kerze, die er in der Hand trug, beleuchtete nackte, raue Felswände; dann kam er durch eine Art von Tor in einen mit den wunderlichsten Steingestalten ausgeschmückten Gang, der sich gegen unten zu immer mehr öffnete; es wurde nach und nach heller, das Licht löschte durch einen starken Luftzug aus, und der Korb hielt endlich in einem schönen Tale. Verwundert und mit klopfendem Herzen stieg der Abenteurer aus; da lagen auf einer schönen mit Blumen und blühenden Bäumen geschmückten Wiese viele, viele Soldaten und schliefen. Leise, um sie nicht aufzuwecken, tappte er unter den Schnarchenden umher; da erhob sich plötzlich unter den Schläfern eine, durch den hohen Federbusch sich auszeichnende Kriegergestalt, wahrscheinlich der Hauptmann, und fragte ihn, was er unter den Toten zu suchen habe. Zähneklappernd erzählte ihm der Dieb seine Geschichte, es nickte beifällig der bleiche Hauptmann, und versprach, ihm auch das Leben zu schenken, weil es ihm die Menschen auch geschenkt, und nachdem er ihm zum Wahrzeichen einen mit alten Goldstücken gefüllten Beutel gegeben, hiess er ihn schnell wieder seiner Wege gehen, und dies Wagestück nie mehr zu unternehmen. Sogleich folgte der Erfreute seiner Weisung, und auf sein Zerren am Seile ward er wieder ans Tageslicht gezogen, und stand bald erzählend unter einer Menge von verwunderten Leuten.
Aus: R. M. Kully, H. Rindlisbacher, Die älteste Solothurner Sagensammlung, in: Jurablätter. Monatsschrift für Heimat- und Volkskunde, 1987. Mit freundlicher Genehmigung von R.M.Kully. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch